30.11.2023 | Ben Kaden

OA Takeaways: Die Kritik am DEAL-Vertrag mit Elsevier in der FAZ vom 29.11.2023

Quelle: Björn Brembs, Konrad Förstner, Claudia Müller-Birn, Ulrich Dirnagl: Kein guter Deal. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.11.2023, Wissenschaft, N4

Dass das Projekt DEAL nach den Verträgen mit den Verlagen Wiley und Springer Nature im Jahr 2017 auch noch eine Einigung mit Elsevier, dem drittem dominanten kommerziellen Wissenschaftsgroßverlag, erzielen würde, schien lange nicht ausgemacht. Immerhin wurde seit 2016 sehr hart verhandelt. Entsprechend für manche etwas unerwartet traf im September dieses Jahres die Meldung ein, dass nach sieben Jahren offenbar doch eine Einigung zwischen dem DEAL-Konsortium und Elsevier erzielt wurde. 

Dass bei weitem nicht alle Vertreter*innen in der deutschen Wissenschafts- und Hochschullandschaft mit dem Vertragsabschluss zufrieden sind, unterstreicht ein gestern (29.11.2023) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienener Gastbeitrag von Björn Brembs (Universität Regensburg), Konrad Förstner (TH Köln, ZB Med), Claudia Müller-Birn (Freie Universität Berlin) und Ulrich Dirnagl (Charité Berlin). In unserem heutigen Open-Access-Takeaway wollen wir daher die im Artikel geschilderten Einwände dokumentieren:

Kosten und Kostenkalkulation 

  • Zumindest das DEAL-Konsortium präsentiert die Einigung als Verhandlungserfolg für die Wissenschaft, da günstigere Konditionen gegenüber den Großverlagen erreicht würden. Kritisiert wird allerdings, dass die Ausgangspreise nach wie vor zu hoch sind.
  • Ein zweiter Kritikpunkt betrifft die den Kalkulationen zugrunde liegenden Daten. Sie reichten entweder nicht aus oder sind nicht ausreichend zuänglich, um sichere Aussagen zu den tatsächlichen Einspareffekte zu treffen.
  • Die dem Vertrag zugrunde liegenden Publikationszahlen der jeweiligen Hochschulen könnten zu niedrig angesetzt sein. Daher steht eine Kostenexplosion zu befürchten, denn in den Verträgen sind feste Preissteigerungen pro Publikation festgelegt. Zugleich nimmt die Zahl der wissenschaftlicher Publikationen auch jenseits der Abschätzung des Aufkommens kontinuierlich zu.

Transformationskonflikte

  • Bei vergleichbaren Verträgen in anderen Ländern wurden die jeweiligen Transformationsziele nicht erreicht. (siehe auch dieses Beispiel) Transformationsverträge seien „das falsche Werkzeug zur falschen Zeit“.
  • Weiterhin ständen die Verträge im Widerspruch zu EU-Beschlüssen, da die EU beispielsweise den Aufbau einer modernen, gebührenfreien, Open-Source-basierten Informationsinfrastruktur für die Wissenschaft, Stichwort „European Science Cloud“, fördern möchte.
  • Die properitären Datenbanken der großen Verlage sind damit weder kompatibel noch an sich interoperabel.

Datenschutz

  • Aus Sicht des Datenschutzes sei die Einigung ebenfalls problematisch: Neben den finanziellen Vorteilen für Elsevier sorgt der Vertrag dafür, dass sich die Wissenschaftler*innen in einem digitalen Ökosystem („Datenbiotop“) bewegen müssen, dass an Überwachungspraktiken großer Internetkonzerne ähnelt. Das von Elsevier stark ausgebaute Geschäftsfeld der Datenanalytik wird folglich nebenbei mit bedient. Für Publizierende würde die Entscheidung zum Open Access mit der Unterlagerung dieser Geschäftsbereiche verknüpft.
  • Die Datenschutzklauseln im Vertrag erscheinen zugleich unzureichend, weil die tatsächlich Ahndung von Verstößen unklar bleibt. Darüberhinaus können sich für die Wissenschaftseinrichtungen sogar Haftungsrisiken ergeben.

Bibliodiversität

  • Die Transformationsverträge reduzieren die Abhängigkeit von den großen Verlagen gerade nicht, denn sie setzen Anreize für die Publizierenden, noch stärker bei diesen zu publizieren, da die Frage der Publikationskosten nicht mehr individuell zu regeln ist sondern institutionell gelöst scheint.
  • Zugleich konzentrieren die DEAL-Verträge einen großen Anteil der für das Publizieren verfügbaren Mittel auf diese Verlage, was zu Einschnitten bei anderen Anbietern und Publikationsmodellen führen könnte.

Ob allerdings der DEAL-Vertrag mit Elsevier überhaupt in Kraft tritt, zeigt sich am 15. Januar 2024. Bis zu diese Stichtag müssen sich nämlich genügend Einrichtungen finden, die ihm beitreten, damit er wirksam wird.