25.10.2023 | Team OA Brandenburg
Ein Gastbeitrag von Jonas Hantow (Mitarbeiter im Projekt „Kulturwandel in der Rechtswissenschaft“ – KidRewi)
Nicht beabsichtigt, aber durchaus passend 20 Jahre nach der Berliner Erklärung startete im September 2023 das BMBF-geförderte Projekt „Kulturwandel in der Rechtswissenschaft“ (KidRewi). Bis Februar 2026 wird es die Transformation hin zum freien Zugang von Literatur im Bereich der selbstständigen juristischen Publikationen und den Aufbau der dafür notwendigen Infrastrukturen unterstützten. Dabei wird das Projekt in seiner Arbeit insbesondere von der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg und dem Verein OpenRewi unterstützt.
KidRewi wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Richtlinie zur Förderung von Projekten zur Etablierung einer gelebten Open-Access-Kultur in der deutschen Forschungs- und Wissenschaftspraxis gefördert.
Im Vergleich zu anderen Wissenschaftsgebieten ist das Publizieren im Open Access in der Rechtswissenschaft weniger stark etabliert. Die Zurückhaltung ergibt sich teilweise aus den bevorzugten Veröffentlichungsarten. Als Beispiel kann die besondere Vorliebe für das gedruckte Buch genannt werden. Gleichzeitig gibt es jedoch auch neue und offene Formen der Fachkommunikation, vorwiegend im Bereich der unselbstständigen juristischen Publikationen. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist das Verfassungsblog. Komplett frei zugänglich wird dort in verschiedenen Formaten über aktuelle Themen der Rechtswissenschaft publiziert und diskutiert.
Bei den selbstständigen Publikationen ist häufig noch die traditionellere Praxis der Veröffentlichung über etablierte und vor allem renommierte Strukturen und Verlage verbreitet. Dies ist dadurch gekennzeichnet, dass den beiden bedeutendsten Werken einer wissenschaftlichen juristischen Karriere, der Dissertation und der Habilitation, eine entscheidende Bedeutung beigemessen wird. Hierdurch entsteht ein sogenannter „Zwei-Bücher-Weg“, bei dem Nebenveröffentlichungen eine untergeordnete Rolle spielen. So konnte sich bis heute keine gleichwertige alternative Kultur neben der traditionellen zweistufigen Publikationspraxis für eine wissenschaftliche Karriere in der Rechtswissenschaft bilden.
Im Bericht „Wahrnehmung von Open Access: Erhebung zu Anforderungen und Hindernissen in den Rechtswissenschaften“ des open-access.network heißt es, dass besonders zu Beginn einer juristischen Laufbahn die Frage der Finanzierung der Publikationen eine große Rolle spielt. Weiterhin ist die Wahl einer geeigneten Open-Access-Publikationsplattform abseits renommierter Verlage aufgrund der starren Reputationsstrukturen für Rechtswissenschaftler*innen eine Herausforderung und besonders eine Frage der nachhaltigen Finanzierung solcher Infrastrukturdienstleistungen.
Die Projektarbeit im Rahmen von KidRewi konzentriert sich auf mögliche Wege, strukturelle Barrieren für Open Access in der Rechtswissenschaft abzubauen. Dafür wird die aktuelle Publikationspraxis und Anforderungen an eine responsive Open-Access-Publikationsinfrastruktur untersucht. Es wird dabei maßgeblich auf eine starke Vernetzung mit der rechtswissenschaftlichen Community sowie die enge Zusammenarbeit der Projektpartner gesetzt.
Die Arbeit des Projekts gliedert sich in fünf inhaltliche Schwerpunkte:
Im ersten Projektteil wird der Status quo aktueller Traditionen, Methoden sowie digitaler Services und Infrastrukturen im Bereich der selbstständigen juristischen Publikationen umfassend erhoben und geclustert. Die so gewonnene Datenbasis dient als Grundlage für weitere Analysen und Folgemaßnahmen.
Der zweite Teil umfasst die Untersuchung von Erfahrungen und Kompetenzen der rechtswissenschaftlichen Fachcommunity, mit dem Ziel, fachspezifische Anforderungen zu sammeln und zu reflektieren. Ergänzend dazu wird die Vernetzung von Rechtswissenschaftler*innen für den Kulturwandel zu mehr Open Access vorangetrieben.
Der dritte Teil hat die konzeptionelle Entwicklung einer neuen und innovativen Publikationsinfrastrukturumgebung zum Ziel. Hierfür werden durch Tiefeninterviews gewonnene Erkenntnisse und Bedarfe der Zielgruppe zusammengetragen und ausgewertet.
Ergänzend dazu befasst sich das Projektteam im vierten Teil mit Lösungen zum Aufbau spezifischer Kompetenzen zum Publizieren von selbstständigen Publikationen nach Open-Science-Gesichtspunkten. Ebenfalls auf der Basis der Erkenntnisse aus den Tiefeninterviews werden asynchrone Kompetenzentwicklungsmodule konzeptioniert, erprobt und evaluiert. Die Module werden nach erfolgreicher Auswertung der Öffentlichkeit als OER zur Nachnutzung zur Verfügung gestellt.
Zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung von Open Access in der rechtswissenschaftlichen Community entwickelt KidRewi im fünften Teil evidenzbasierte Handlungsempfehlungen und Governance-Modelle für Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Diese sollen sicherstellen, dass Anreize und Maßnahmen für die Veröffentlichungen juristischer selbstständiger Publikationen institutionalisiert werden.
KidRewi wird über die Projektlaufzeit hinweg insbesondere eng mit den beiden Projektpartnern zusammenarbeiten. Diese sind die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg und OpenRewi. Die VuK stellt dabei, neben fachlicher Expertise, als Vernetzungsstelle die Koordination zu weiteren Open-Access-Projekten in Brandenburg sicher. Des Weiteren verfügt sie über ein großes Netzwerk an Partnern in ganz Brandenburg sowie Deutschland, auf das KidRewi zugreifen kann.
Im Rahmen des zweiten Arbeitsbereichs kann die VuK zum Aufbau eines arbeitsteiligen Netzwerkes für fachspezifische Open-Access-Beratungsleistungen für die rechtswissenschaftliche Community zwischen den verschiedenen Landesinitiativen zu Open Access beitragen.
Förderkennzeichen: 16K0A029