04.12.2024 | Team OA Brandenburg
Ein Gastbeitrag von Philipp Kandler (WiNoDa, ORCID: 0000-0002-5701-4820)
Am 20. November 2024 fand die zweite Veranstaltung der Reihe ‚Quo Vadis offene Wissenschaft in Berlin und Brandenburg 2024/25‘ unter dem Titel Objektbezogenes Open Access – Open Access für Objekte statt. Ziel dieser Werkstattdiskussion war eine Annäherung an die Herausforderungen, Problemlagen und blinden Flecken für Open Access (OA) für Objekte und andere nicht-textuelle Inhalte.
Auf dem digitalen Podium diskutierten Friederike Kramer (Universitätsbibliothek der Universität der Künste, ORCID: 0000-0003-2983-4917), Melanie Seltmann (Datenkompetenzzentrum QUADRIGA, ORCID: 0000-0002-7588-4395) und Ben Kaden (Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access in Brandenburg und Datenkompetenzzentrum Wissenslabor naturwissenschaftliche Sammlungen und objektzentrierte Daten, WiNoDa, ORCID: 0000-0002-8021-1785). Sophie Kobialka (ebenfalls WiNoDa, ORCID: 0000-0002-6255-0652) moderierte.
Die Diskussion thematisierte vier Aspekte:
Zum Einstieg stimmten die Diskutant:innen überein, dass sich Objektformen, Formate und Inhalte bei nicht-textuellen Materialien durch eine große Heterogenität auszeichnen, was nahezu unvermeidlich zu einer Unschärfe bei den Bezeichnungen führt. Dies betrifft darüber hinaus auch die Kontexte in denen sie genutzt werden, ebenso wie die beteiligten Personen und ihren Perspektiven auf Openness. Gerade künstlerische Forschung bewegt sich, wie bereits ihre Bezeichnung unterstreicht, zwischen Kunst und Forschung, was in der Praxis zu unterschiedlichen Ansprüchen an die Offenheit für Nachnutzungen führt.
So unterstrich Friederike Kramer, dass es in den Künsten diese Heterogenität und Fluidität auf unterschiedlichen Ebenen gibt:
Daraus folgt die Notwendigkeit, sich nicht auf Forschung in einem akademischen Sinn und Konzepte wissenschaftlicher Forschungsdaten zu versteifen, sondern den gesamten Datenzyklus sowie die diversen Produktions- und Nutzungsfacetten in den Blick zu nehmen. Daten können in diesem Prozess zu Forschungsdaten oder Forschungsgegenständen werden – müssen das aber nicht zwangsläufig. Für Forschende und Publizierende ist die Frage, ob es sich um Forschungsdaten oder publizierte digitale Objekte handelt, häufig zweitrangig – wichtiger sind die Klärung der Rechtesituation oder eine dauerhafte Referenzier- und damit Sichtbarkeit für Daten, beispielsweise über Persistent Identifier.
Die Heterogenität der Formate thematisierte auch Ben Kaden aus der Perspektive von WiNoDa. Zwar stellt der Fokus des Projekts auf objektzentrierte Daten in naturwissenschaftlichen Sammlungen eine Begrenzung dar. Gleichzeitig bedeutet die Vielfalt der Objekte, beispielsweise in den Sammlungen des WiNoDa-Projektpartners Museum für Naturkunde, auch eine Entgrenzung. Jedes Objekt in einer Sammlung kann ein Forschungsobjekt sein. Die Objekte selbst entstanden jedoch meist nicht mit der Perspektive, beforscht zu werden. Erst durch die kuratierte Auswahl und den Akt der Beforschung werden sie zu solchen. Anders als genuin aus Forschungsprozessen erzeugte Gegenstände sind Museumsobjekte also per se mehrschichtig adressierbar und ähneln künstlerischen Objekten mehr als Forschungsdaten. Oft ist beispielsweise eine ihrer zentralen Rollen die Präsentation bzw. Repräsentation in einem Ausstellungszusammenhang. Sie dienen dabei als Anschauungsmaterial für eine ganze Reihe von Interaktionsformen, wobei Forschung im engeren Sinn nur eine Variante darstellt.
Ein weiterer Punkt ist, dass Objekte und nicht-textuelle Inhalte über ihrer Beschreibung und Bearbeitung häufig wieder einen Begleittext erhalten. Entsprechendes berichtete Melanie Seltmann für das bewegte Bild, als eines der Datenformate, mit denen sich QUADRIGA beschäftigt. Hier finden die abgeleiteten Arbeitsschritte – Erstellung von Korpora und Annotationen – wieder in Textform statt. Der offene Zugang zu diesen Textteilen ist ein zentrales Thema für Open Access und das selbstverständlich auch in Verknüpfung mit den digitalen Objekten und nicht-textuellen Inhalten.
Ein weiterer Anwendungsfall sind Open Educational Resources (OER), wie sie auch in QUADRIGA erarbeitet werden. Die Materialien – in diesem Fall Filme – unterliegen allerdings häufig komplexen urheberrechtlichen Regelungen, was die Nachnutzung beschränkt.
Friederike Kramer zitierte für die Publikation von Forschung in der Kunst das Prinzip „so offen wie möglich, so geschlossen wie nötig“, um daran spezifische Probleme zu erläutern, denn für künstlerisch Arbeitende und Forschende ist die Kontrolle über das eigene Werk und seine Verbreitung ein wichtiger Grundsatz. Es geht daher auch darum, in Einzelfallgesprächen, die Spannung zwischen dem Kontrollanspruch am eigenen Werk und dem Wunsch nach der Nachnutzung fremder Werke immer wieder neu auszuhandeln.
Ben Kaden erinnerte schließlich anhand des Beispiels der Präsentation von Museumsobjekten, dass Zugang nicht nur die reine Bereitstellung sondern auch die gebrauchstaugliche Gestaltung des Zugangs meint – Stichwort Usability.
Zusammenfassend lassen sich drei zentrale Aspekte aus dem ersten Teil der Diskussion mitnehmen: die Art der Nutzungsmöglichkeiten und Grenzen der Nachnutzung, individuelle Einstellungen zu Open Access sowie die Frage der Gestaltung und damit Vorbereitung von Zugang und Nutzungsmöglichkeiten.
Ein Monitoring im Sinne des etablierten Open-Access-Monitorings für Zeitschriftenaufsätze sahen die Diskutant:innen für Open Access zu Objekten und nicht-textuellen Inhalten nur für bestimmte Kontexte als sinnvoll an. Zwar sind Zugriffs- und Nutzungsstatistiken prinzipiell ein Anreiz für Forschende, auch Objekte zu publizieren. Gleichzeitig ergeben sich aber ähnliche Gefahren wie beim Monitoring textueller Publikationen: quantitative Indikatoren können qualitative Merkmale nicht adäquat abbilden. Die einseitige Konzentration auf sie setzt Fehlanreize und verhindert eine angemessene und differenzierte Würdigung der Aktivitäten der Forschenden.
Bei Open Access zu Objekten und nicht-textuellen Inhalten kommt hinzu, dass bislang kaum dafür taugliche Infrastrukturen und Indikatoren etabliert sind.
Als interessante Anwendung und eine Art Wunsch an ein denkbares Monitoring für Open-Access-Objekte und nicht-textuelle Inhalte nannten die Diskutant:innen „nutzungsbiographische“ Metadaten, die Provenienz und Nachnutzung sichtbar und offen dokumentieren. Diese Angaben können wiederum selbst zu Forschungsdaten werden. In diesem Szenario ermöglichte ein Monitoring die Abbildung und Generierung eines objektbiografischen Meta-Wissens zu den jeweiligen Objekten.
Bei den Infrastrukturen stellen sich für Objekte und nicht-textuelle Inhalte ähnliche Herausforderungen wie bei Open-Access-Infrastrukturen insgesamt. Selbst Plattformen, die Forschende prinzipiell als gelungen und wünschenswert ansehen, werden in der Praxis überraschend wenig genutzt. Als eine mögliche Hürde wurde die deren Gestaltung und Workflows prägende bibliothekarische Logik identifiziert, etwa bei der Metadatenvergabe, die vielen Publizierenden nicht vertraut ist und die aus ihrer Sicht die Handhabung erschwert und so abschreckt. Eine mögliche Lösung wären intuitivere Erfassungsstrukturen oder die Vermittlung von Grundkompetenzen, auf die im vierten Teil der Diskussion zurückgekommen wurde.
Bei Objekten und nicht-textuellen Inhalten kommt hinzu, dass viele aktuelle Plattformen deren spezifische Anforderungen insbesondere für eine angemessene Präsentation nicht ausreichend berücksichtigen. Publizierende orientieren sich zudem an den Plattformen, die in ihrer jeweiligen Community genutzt werden, was besonders bei Personen an der Schnittstelle von Forschung und künstlerischer oder kommunikativer Tätigkeit dazu führt, dass primär bibliothekarische Angebote und Infrastrukturen weniger genutzt werden. Daher ist es erforderlich, Publizierenden einerseits den Mehrwert der bibliothekarischen Angebote zu vermitteln, andererseits aber die Gründe für die Nutzung anderer Plattformen zu verstehen und offen für Kompromisse zu sein.
Das Thema der grundlegenden Kompetenzen für Publizierende schloss sich eng an die Frage der Infrastrukturen an. Die Diskutierenden erörterten verschiedene Aspekte, die möglichst schon im Studium vermittelt werden sollten. Dazu zählt ein Bewusstsein für Vor- und Nachteile verschiedener Plattformen, und, eng damit verbunden die Frage, wie eine Entscheidung für oder gegen eine Plattform am Zweck der Veröffentlichung, beispielsweise Präsentation oder Nachnutzung, ausgerichtet werden solle. In dieser Zusammenhang scheint eine weitere Systematisierung von Szenarien sinnvoll.
Generell sollten Publizierende wissen:
Ein weiterer Diskussionspunkt betraf ein Grundverständnis für bibliothekarische Logiken und (den Wert von) Metadaten, um die Nutzung entsprechender Infrastrukturen zu begleiten und eine Kommunikationsgrundlage bei der Zusammenarbeit von Publizierenden und Bibliotheken nicht zuletzt bei einer gemeinsamen Weiterentwicklung entsprechender Open-Access-Publikationsservices auch für nicht-textuelle Materialien vorzubereiten.
Open Access zu nicht-textuellen Inhalten ist zwar kein neues Thema. Die Diskussion, welche Anforderungen die heterogenen Daten und Objekte – Kunstobjekte, bewegtes Bild, Objekte in naturwissenschaftlichen Sammlungen und Museen – an das Publizieren stellen, steht allerdings, je nach Lesart entweder noch am Anfang oder ist bei vielen Herausforderungen noch nicht zureichend gelöst. Die Werkstattdiskussion zeigte dabei, dass die Erfahrungen aus Open Access für textuelle Inhalte zwar einen Ansatz bieten, aber nicht eins zu eins zu übertragen sind.
Zentrale Unterschiede von Aufsätzen und Monografien zu digitalen Objekten sind
Eine Vertiefung der diskutierten Einzelaspekte und eine Einbeziehung rechtlicher Fragen, die in der Werkstattdiskussion als eigenständiges Thema bewusst ausgeklammert worden waren, auf die die Diskutant:innen aber immer wieder zurückkamen, bieten sich also an.