29.01.2024 | Ben Kaden

OA Takeaways: Open Access diversifiziert das Zitieren. Und Green OA umso mehr.

Ein traditionelles Leitargument der Open-Access-Bewegung lautet, dass die freie Zugänglichkeit von wissenschaftlichen Publikationen im Schnitt auch die Wahrscheinlichkeit der Zitation erhöht.

Dass dies auch tatsächlich der Fall ist, weist nun eine aktuelle Studie in Scientometrics nach, über die Science berichtet.

In einer bibliometrischen Auswertung von Publikationsdaten aus den Jahren 2010-2019 (19 Millionen Publikationen mit 420 Millionen Zitationen) wurde nochmals der Zitationsvorteil von Open-Access-Zeitschriften gegenüber Closed-Access-Titeln bestätigt.

OA citation diversity

Interessanter und innovativer ist aber der differenzierte Ansatz der Analyse der Zitationen nach Institutionen, Ländern, Regionen und Forschungsfeldern, also einer „OA citation diversity“ und einem „OA citation diversity advantage“. 

Dies so, die Autor*innen, ermöglicht auch eine differenzierte Bewertung des Open-Access-Geschehens, was die Nachteile der quantitativer Zitations- und Wissenschaftsmessung zwar nicht aufhebt, aber zumindest auffächert: 

„[C]itation diversity measures offer a new view over existing data, providing potential insights that are not offered by simple citation counts.“

Der Ansatz unterstützt, so die Autor*innen, auch eine Optimierung von Open-Access-Maßnahmen. 

Die Diversifizierung der Zitationen zeichnet sich dabei als durchgängiger und übergreifender Trend ab, dies allerdings mit jeweils unterschiedlicher Intensität:

„There are differences over time, between fields of research and between author’s country of affiliation in the scale of the effect, as well as the underlying diversity measures.“

Die detailliertere Analyse dieser Effekte überlässt die Studie zukünftiger Forschung. Ihre Kernerkenntnis war die Feststellung eines durchgehenden Diversifizierungsprozesses und eines Diversitätsvorteils für Open Access an sich. 

Green > Gold und rich get richer(?)

Bei den Ergebnissen fällt weiterhin besonders auf, dass für Green Open Access bzw. Repositorien kategorienübergreifend Vorteile gegenüber Gold Open Access bzw. den Verlagsplattformen festgestellt wurden. Eine Ursache könnten Mehrfachveröffentlichungen sein, was, so eine Vermutung, die Auffindbarkeit einer Publikation erhöht. 

Bei der regionalen Differenzierung zeichnet sich ein Vorteil gegenüber ressourcenstärkeren und größeren Forschungsregionen ab: 

„However, the citation diversity advantage also accrues preferentially to traditionally prestigious centres of research.“

Ob hier ein Matthäus-Effekt („rich get richer“) durchschlägt, lassen die Autor*innen offen, unter anderem, da sich auch für weniger starke Forschungs- und Publikationsregionen („e.g., Sub-Saharan Africa, Northern Africa, Latin America“) im Zeitverlauf eine zunehmende Sichtbarkeit und damit eine steigende Zitationszahl und auch Zitationsdiversität feststellen lässt. 

Green vs. Gold 

Bezüglich der Vorteil des grünen Wegs zu Open Access ergänzt Jeffrey Brainard bei Science eine gewisse Skepsis im Zusammenhang der Abwägung der unterschiedlichen Open-Access-Modelle.

Diese Vorbehalte stammen ebenso wie die Betonung, Green OA sei „a controversial type of open-access article“, anscheinend vor allem von den Gold-OA-Verlagen, die argumentieren, dass nur ihre Fassung die „Version of Record“ darstellt. Die in den Repositorien verfügbaren Versionen seien zwar in der Regel erfolgreich peer reviewed, aber nicht formal lektoriert und redaktionell, je nach Sichtweise, veredelt oder homogenisiert. Entsprechend geht es also um den Anspruch der Qualitätssicherung per Verlagsbearbeitung.

Brainard erwähnt aber fairerweise auch das Green-OA-Argument, dass diese Bearbeitungen meist keinen großen Unterschied machen. Die nachweislich rege Rezeption der Inhalte aus den Repostorien spricht sehr offensichtlich ebenfalls dafür. 

So bleibt schließlich als letztes von Brainard angeführtes Argument gegen Green OA, dass dieser Ansatz auf längere Sicht für die Wissenschaftsverlage nicht profitabel sei, da die Lesenden („readers“) ihr Abonnements nicht verlängern, wenn sie die für sie relevanten Inhalte in Repositorien frei lesen können.

Angesichts der Tatsache, dass sich Gold OA und auch Closed Access in der Wissenschaft eher durch institutionelle Zuwendungen finanzieren und in Anbetracht der Transformationsverträge zum Beispiel über DEAL wirkt dieses Argument freilich eher bemüht als zwingend. 

Quellen:

Jeffrey Brainard: Open-access papers draw more citations from a broader readership. In: Science / science.org, 24.01.2024. https://doi.org/10.1126/science.zb4sw6i

Chun-Kai Huang, Cameron Neylon, Lucy Montgomery, Richard Hosking, James P. Diprose, Rebecca N. Handcock, Katie Wilson: Open access research outputs receive more diverse citations. In: Scientometrics (2024). https://doi.org/10.1007/s11192-023-04894-0