04.02.2025 | Team OA Brandenburg

Open Access in Lateinamerika. Takeaways aus einer Masterarbeit

Unser Kollege Philipp Kandler, der sich im mit der Vernetzungs- und Kompetenzstelle assoziierten BMBF-Projekt zum Aufbau des Datenkompetenzzentrums WiNoDa mit der Vermittlung von Open-Science-Kompetenzen für die objektzentrierte Forschung in naturwissenschaftlichen Sammlungen befasst, legte unlängst seine Masterarbeit mit einem Überblick zu „Open Access in Lateinamerika“ vor. Verschiedene Stellen wiesen bereits auf sie hin

Auch wir können die Arbeit nur empfehlen, unterstreicht sie doch die essentielle Bedeutung von Open Access in dieser Weltregion. Die Darstellung konkretisiert dies in einer vertiefenden Analyse weitgehend an den Beispielen der Open-Access-Politik in Argentinien, Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru und vergleicht die dortigen Entwicklungen mit denen in Europa.  

Eine zentrale Erkenntnis ist, dass sich die Ansätze zur Transformation des wissenschaftlichen Publikationssystems deutlich unterscheiden. In Europa liegt der Fokus stark auf Maßnahmen wie Transformationsverträgen und der Förderung von Gold Open Access. In Lateinamerika hingegen steht der Gedanke im Vordergrund, wissenschaftliche Veröffentlichungen als öffentliches Gut zu betrachten und entsprechend zu behandeln. Mit der Erwartung der Unterstützung eines gesamtgesellschaftlichen Fortschritts durch wissenschaftliche Forschung wird die Förderung von Open Access als nationale Aufgabe verstanden. Die Staaten können dabei als mit Abstand wichtigste Mittelgeber für Wissenschaft und Forschung erheblichen Einfluss nehmen und nehmen diese Rolle auch so an. Damit korrespondierend sind in Lateinamerika vorwiegend die Hochschulen die Institutionen, die Open-Access-Zeitschriften publizieren. Eine Gewinnorientierung rückt so von Beginn an in den Hintergrund:

„Die Ausgangsbedingungen für ein OA-Modell, das weder für Autor:innen noch für Leser:innen unmittelbare Kosten nach sich zieht (Diamond OA), waren daher in Lateinamerika günstiger als in anderen Regionen“, so der Autor. (Kandler, 2024, S. 69)

Als interessante Takeaways aus der Arbeit lassen sich folglich eine Reihe von Aspekten ableiten, die hier kurz gelistet werden sollen: 

  • Die untersuchten Länder orientieren sich bei der Definition von Open Access an der Budapester und Berliner Erklärung.
  • Im Mittelpunkt der jeweiligen nationalen Politik steht der gesellschaftliche Nutzen als Hauptmotiv für die Förderung von Open Access. In Mexiko ist Open Access sogar verfassungsrechtlich verankert.
  • Wissenschaftliches Wissen wird als öffentliches Gut betrachtet, der Zugang dazu wird als staatliche Verpflichtung, APCs dagegen als kritisch angesehen.
  • Die Rolle von Open Access als Maßnahme zur Förderung der wissenschaftlichen Fortschritts an sich scheint dagegen weniger forciert und damit auch in geringerem Umfang strukturiert angesprochen zu werden. Wissenschaftspolitik und Gesellschaftspolitik scheinen hier teilweise sogar unterschiedliche Ziele, zumindest divergierende Gewichtungen, zu verfolgen.
  • Auf nationaler Ebene liegt der Fokus der OA-Maßnahmen entsprechend auf Grünem Open Access (also vor allem Repositorien).
  • Fast alle der untersuchten Länder verfügen über nationale Repositorieninfrastrukturen. Chile bildet die Ausnahme. Hier scheint das Repositorium der nationalen Forschungsförderung, also der Agencia Nacional de Investigación y Desarrollo (ANID), die Rolle als nationales Zentralrepositorium zu übernehmen.
  • In Argentinien und Peru wurde eine verpflichtende Zweitveröffentlichung für mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschungsergebnisse eingeführt. In Chile gibt es eine Zweitveröffentlichungspflicht für Projekte, die von der ANID gefördert wurden.
  • In Mexiko und Kolumbien wird eine obligatorische Einräumung von Nutzungsrechten an den Staat bzw. die Förderinstitutionen vorgesehen.
  • Grünes Open Access wird stärker als Goldenes OA gefördert.
  • Die länderübergreifenden Open-Access-Infrastrukturen (SciELO, Redalyc, Latindex) sind dagegen nur punktuell Bestandteil der nationalen Open-Access-Politik, bilden aber ein wichtiges Rückgrat für die dauerhafte Absicherung von Open Access.

Wer mehr zum Thema erfahren möchte, hat am 14. Februar 2025 von 11:30 bis 12:30 die Möglichkeit. Dann stellt Philipp Kandler seine Arbeit in der Fokusgruppe Kommunikation von open-access.network vor. 

Philipp Kandler: Open Access in Lateinamerika: Eine Analyse von nationalen Politiken in Argentinien, Chile, Kolumbien, Mexiko und Peru. Berlin Institut für Bibliotheks- und Informationswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin, 2024. (Berliner Handreichungen zur Bibliotheks- und Informationswissenschaft; 541) ISSN 14 38-76 62 (DOI: https://doi.org/10.18452/31175 )