08.09.2022 | Ben Kaden
Wer bereits länger mit der Entwicklung von Open Access befasst ist und sich an die frühen Diskussionen über die Farbenlehre – besonders Gold versus Grün – sowie die generellen Zukunftschancen des Ansatzes selbst erinnert, wird den mittlerweile eingetretenen Siegeszug von Open Access im wissenschaftliche Zeitschriftenwesen vermutlich mit gemischten Gefühlen betrachten. So traf man um 2003 am Institut für Bibliothekswissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin neben der frühen Open Access-Euphorie, die durch die Berliner Erklärung einen enormen diskursiven und ideellen Schub bekam, auch auf skeptische Positionen: Open Access wird sich nicht durchsetzen, denn es ist nicht finanzierbar, lautete ein Einwand. Institutionelle Repositorien werden nur für sonst kaum publizierbare Dissertationen und nebensächliche Protokollnotizen relevant sein, weil solche an Renommee armen Publikationsorte Todeszonen für jede wissenschaftliche Karriere sind. Zweitveröffentlichungen, also Green-OA, galten als unmäßiger Aufwand und Wissenschaftler*innen, die dafür Zeit haben, haben vielleicht generell zu viel Zeit.
Gut zwanzig Jahre später haben sich einige Dinge geändert. Repositorien sind vielleicht nicht überall ein Erfolgsmodell, haben sich aber als selbstverständlicher Baustein der wissenschaftlichen Informationsinfrastruktur durchgesetzt.
Noch spürbarer wird es aber bei den Zeitschriftenpublikationen, wie eine im Mai erschienene Studie zur Entwicklung von Open Access zwischen 2016 und 2020 bestätigt. (Lin Zhang, Yahui Wei, Ying Huang, Gunnar Sivertsen: Should open access lead to closed research? The trends towards paying to perform research. In: Scientometrics (2022). https://doi.org/10.1007/s11192-022-04407-5) Gold-Open-Access dominiert und zwar nicht nur Open Access. Vielmehr zeigt die Studie anhand einer Auswertung der bei InCites verfügbaren Daten, dass die Zahl der reinen Subskriptionstitel schrumpft. Von insgesamt 12.289 dort nachgewiesenen Titeln waren nur noch 2577 reine Subskriptionstitel. Der Rest bot zumindest im Hybridverfahren eine Open-Access-Publikationsmöglichkeit.
Dass es soweit kam, liegt an der Antwort auf die Frage des Jahres 2003: Wer wird Open Access bezahlen? In gewisser Weise, mit neuen und damals noch nicht so vorhersehbaren Differenzierungen, bleiben es die selben Institutionen, die bereits die Subskriptionen finanzierten, nur nach anderen Modellen. Theoretisch sind die Bibliotheksbudgets nicht mehr zwingend im Spiel, praktisch sind es zumindest die Hochschulbibliotheken allerdings, wie wir auch im Land Brandenburg gesehen, doch.
Strategische Initiativen wie Plan S oder auch DEAL beschleunigen die Transformation in diese Richtung. Es wird also gezahlt und zwar in erheblichem Umfang, Der Open-Access-Markt lohnt sich für die Verlage auch deshalb, weil er sich auf wenige Publisher konzentriert und deren Anteile und Umsatzmöglichkeiten entsprechend groß sind. Die Studie weist noch einmal auf die Dominanz der großen Sieben hin: Elsevier, IEEE, Oxford University Press, Springer Nature, Sage, Taylor & Francis, and Wiley. Hinter diesen Namen stehen mittlerweile auch zahlreichen Zusammenschlüsse und Übernahmen auch genuiner Open-Access-Publisher. Der Umsatz, der mit Publikationsgebühren bzw. Article-Processing-Charges (APC) gemacht wird, verdreifachte sich zwischen 2016 und 2020, so die Studie. Für 2022 wird ein Gesamt-APC-Volumen von zwei Milliarden Dollar geschätzt.
Die Studie differenziert eine Reihe von Aspekten der zeitschriftenbezogenen Open-Access-Transformation im Ländervergleich (Großbritannien, Frankreich, Niederlande, Norwegen, China, USA). Für die Details sei hier auf die Originalpublikation oder diese Zusammenfassung verwiesen. Als Takeaways sollen einige allgemeinere Trends und Feststellungen dokumentiert werden: