06.07.2022 | Ben Kaden

Für mehr Openness im Hochschulgesetz. Kurzbericht zu einem Workshop

Wie bereits im Open Access Update Berlin & Brandenburg 2/2022 kurz vermeldet, organisierte die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Anfang Juni 2022 einen Workshop, bei die Open-Access-Community eingeladen war, sich mit den für Open Access relevanten Aspekten des in Überarbeitung befindlichen Hochschulgesetzes des Landes Brandenburg (BbgHG-E)  zu befassen. Die Ergebnisse dieses Workshops wurden an das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) übermittelt. An dieser Stelle wollen wir noch einmal die fünf Schwerpunkte benennen, die sich im Workshop als besonders zentral herausstellten.

1.) Eine stärkere Berücksichtigung qualitativer Aspekte bei der Bewertung von Publikations- und Forschungsleistungen

Die Defizite einer rein quantitativen Wissenschaftsmessung sind seit langem bekannt, wirken aber nach wie vor tief in den Wissenschaftsbetrieb. Dies führt zu bestimmten Zwängen in den Publikationsentscheidungen, die nicht nur nicht unbedingt konform mit den Ansprüchen von Open Access sind, sondern auch oft nicht wissenschaftsadäquat. Quantitative Parameter der Leistungsmessung wirken auf den ersten Blick objektiv. Sie klammern jedoch eine ganze Reihe von entscheidungsrelevanten Informationen aus. Zudem reproduziert der Fokus auf quantitative Paramater und Indices genau die Mechanismen des Wissenschaftssystems, die der Kulturwandel hin zu mehr Openness überwinden möchte. 

Es wurde daher angeregt, die Berücksichtigung qualitativer Parameter der Wissenschaftsmessung ergänzend oder ersetzend im Gesetz festzuschreiben.  Die Teilnehmenden sahen gerade für die Hochschulgesetzgebung die Möglichkeit, hier wichtige Impulse in Berufungsverfahren von Professor*innen bzw. Junior-Professor*innen zu geben. Die Nutzung offener Lizenzen (Creative Commons) und eine spezifisch auf die Nachnutzung von Forschungsmaterialien ausgerichtete zusätzliche Aufbereitung könnten dabei ebenso eine Rolle spielen wie Open Access-Publikationen an sich oder eine besondere Forschungstransparenz. Auf diesem Weg soll eine Verschiebung von einer Ausrichtung des Publikationsverhaltens auf die Optimierung der eigenen Karriereschritte hin zu einer auf die Interessen von Fach- und anderen Öffentlichkeiten ausgerichteten Kommunikation von Forschung gefördert werden.

2.) Eine Stärkung der Diversität von Publikationsleistung an und durch die Hochschulen

Um neue offene und digitaltechnisch vielfältigere Publikationsformate (Stichwort: Enhanced Publishing) zu fördern, sollten Akzeptanz sowie Möglichkeiten der Nutzung neuer Formen der wissenschaftlichen Publikation und Kommunikation gestärkt werden. Es gibt mittlerweile zahlreiche Publikations- und Kommunikationsaktivitäten jenseits des Journal Article, der Monografie und des Konferenzbeitrags. Begutachtungen und Reviewing beispielsweise auch im Sinne einer Open Peer Review, die Förderung von Projekten der Citizen Science oder Public Humanities sollten ebenso einen größeren Stellenwert erhalten wie die Publikation von Forschungsdaten. ihre nachnutzungsorientierte Aufbereitung oder auch die Bereitstellung von Code. Gelingt es, diese Diversität von Publikationswegen und -formaten festzuschreiben, unterstützt das auch den Kulturwandel und trägt zu einer größeren Diversität in der Wissenschaft bei. 

3.) Das Herausstellen der Rolle von Bibliotheken als Schlüsselinfrastrukturen für (Open-Access-)Publikationsdienstleistungen 

Während die Bibliotheken selbst meist sehr bewusst und aufgeschlossen progressive Publikationsmodelle nicht nur berücksichtigen sondern auch im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen, wird dieses Potential außerhalb der Bibliotheken häufig noch nicht umfassend erkannt. Gerade aber für die Umsetzung der Open-Access-Strategie des Landes Brandenburg ist ihnen und ihren publikationsstützenden Diensten eine zentrale Rolle zugedacht (vgl. Open-Access-Strategie des Landes Brandenburg, S. 8 f.). Diese wäre idealerweise noch präziser im Hochschulgesetz zu explizieren. 

4.) Die konsequente Entwicklung in Richtung Offenheit in der Wissenschaft

Die Open-Access-Strategie des Landes Brandenburgs betont den Kulturwandel in Richtung Offenheit in Wissenschaft und Forschung ausdrücklich als eine Aufgabe der Landesregierung. Kulturwandel bedeutet in diesem Fall, dass es nicht nur um Anpassungen im Publikationsprozess geht. Vielmehr greift er ganzheitlich an zahlreichen Schnittpunkten angefangen bei den Hochschul- und anderen öffentlichen Verwaltungen einschließlich den Institutionen der Landesregierung selbst, dem Bereich der offenen Kultur und den gesellschaftlichen Schnittpunkten, die unter Bezeichnungen wie Bürger*innenwissenschaften, Citizen Science, Public oder Citizen Humanities und auch generell partizipativen Schnittpunkten von Langen Nächten von Museen und Wissenschaft bis zu Hackathons laufen. Beispielsweise das Berliner Hochschulgesetz spricht folgerichtig nicht von Open Access sondern ausdrücklich von Open Science (vgl. §41 BerlHG, Abs. 2). Im Workshop wurde deutlich, dass auch diese Bezeichnung nicht inklusiv genug ist. Der Vorschlag der Teilnehmenden ist, von „Offenheit in Wissenschaft und Forschung“ zu sprechen, wobei auch die Position vertreten wurde, die Kultur ebenfalls direkt mit zu benennen. Dies würde auch mit dem etablierten Netzwerk “Offenheit in Wissenschaft, Forschung & Kultur Brandenburg” korrespondieren, aus dem bereits die Open-Access-Strategie hervorging. 

5.) Eine aktiv(er)e Berücksichtigung der Open-Access-Strategie des Landes Brandenburg

Die Open-Access-Strategie ist ein im Land weithin anerkanntes und darüber hinaus mit großem Interesse beachtetes Leitlinienpapier für die Transformation des wissenschaftlichen Publikationswesens unter den Bedingungen und Anforderungen des Landes Brandenburg als Wissenschafts- und Hochschulstandort. Aufgrund ihrer zentralen Rolle wäre eine entsprechende Erwähnung auch in der Gesetzgebung wünschenswert. Denn daraus würde sich ein noch deutlicherer Orientierungscharakter ableiten, der den in diesem Bereich aktiven Institutionen und Personen eine stärkere Handlungs- und Entscheidungssicherheit gäbe.

Nachbetrachtung

Aus methodischer Sicht kann der Workshop als sehr gelungen angesehen werden. Mit dem partizipativen Ansatz führt er die Tradition der Genese der Open-Access-Strategie fort. Es gelang eine Einbindung eines Querschnitts der Community. Die für die Fragestellung relevanten Zielgruppen wurden erreicht und eingebunden. Sollte für zukünftige Veranstaltungen eine Erweiterung des Fokus anhand der genannten Schnittpunkte, vor allem in Richtung Open Culture, erfolgen, müsste das Format entsprechend überarbeitet und angepasst werden.

Es wird in jedem Fall weitere Veranstaltungen zur strategischen Entwicklung von Open Access und zum Kulturwandel hin zu mehr Offenheit in Wissenschaft und Forschung geben. Die Vernetzungs- und Kompetenzstelle ist dabei jederzeit für Anregungen, Hinweise und Vernetzungen offen: KONTAKT