05.10.2022 | Ben Kaden

Die Zukunft institutioneller Publikationsinfrastrukturen im Land Brandenburg. Takeaways zum 26. Open-Access-Smalltalk.

Wie angekündigt stand der Open-Access-Smalltalk diesmal unter dem Eindruck der Open-Access-Tage in Bern. Zumindest als Input. Denn wieder einmal bewahrheitete sich, dass es nur der richtigen Stichwörter bedarf, um eine weiterführende Diskussion anzuregen. Diese entwickelte sich dann wieder etwas vom Berner Gurten in die Brandenburgische Ebene weg. Dabei wurde einige Schwerpunkte besonders sichtbar, deren Inhalte nachfolgend dokumentiert sind.

1 Dienstreisen

Der erste Schwerpunkt ergab sich noch nah an der Konferenz und aus der einleitenden Feststellung, dass erstaunlich wenige Teilnehmende nach Bern reisen konnten. Dies lag nachvollziehbar nicht wenig am hohen Preisniveau des Veranstaltungsortes und der Entfernung. Für die Open-Access-Tage 2023, die in Berlin stattfinden werden, wird sich mit Sicherheit ein anderes Bild hinsichtlich der Anwesenheit von Open-Access-Vertreter*innen aus dem Land Brandenburg ergeben. Die unmittelbare geografische Nähe könnte sogar eine Brückenbau zwischen der Open-Access-Community im engeren und der im weiteren Sinne nahelegen und eine Erweiterung der dort vertretenen Community beispielsweise in Richtung der hinsichtlich Open Access sehr engagierten Museumswesens des Landes anregen. Die Vernetzungs- und Kompetenzstelle wird sich in jedem Fall sehr dafür einsetzen, dass Brandenburg auch als Open-Access-Land unübersehbar auftaucht. 

Neben den Kosten bleibt eine zweite Hürde für die Mitarbeitenden in den Einrichtungen: die Ressource Zeit. Die erscheint mitunter in Kombination mit dem Faktor Hierarchie, ist aber auch davon losgelöst eine beständige Herausforderung. Regelmäßige Reisen wären nun einmal auch regelmäßige Abwesenheiten vom Arbeitsplatz und -alltag. Das ist nicht für alle Mitarbeitenden in allen Kontexten gleichermaßen machbar. Daher ist die Etablierung von digitalen Veranstaltungen einer der wenigen positiven Effekte der Corona-Pandemie und ein dauerhaft sinnvolles Format. Umso bedauerlicher, wenngleich organisatorisch nachvollziehbar, war der das überschaubare Angebot für eine aktive Online-Teilhabe an der Berner Konferenz.

Das Thema Hierarchie tauchte im Smalltalk am Rand auf und zwar in Form des Positivbeispiels der Universitätsbibliothek der Brandburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg. Deren Leiter, Jens Mittelbach, betonte nicht nur die Bedeutung regelmäßiger Fortbildungen für die Mitarbeitenden, sondern auch die Ermöglichung von Dienstreisen für die Mitarbeitenden als Zeichen der Wertschätzung. 

2 Diamond Open Access

Ein aktuelles Trendthema in der Open Access Community und auch auf den Open-Access-Tagen in Bern war Diamond Open Access. Die definitorische Debatte, was Diamond ist und wo die Grenzen liegen, wurde im Smalltalk etwas außen vor gelassen. Generell ist aber die Idee, Open Access kostenfrei für Lesende und Publizierende zu gestalten ein Ansatz, der als zukunftsweisend gehandelt wird. Zugleich ist er eine Rückverbindung zu einer Frühphase von Open Access, in der zahlreiche Versuche einer dieses Kriterien erfüllenden Publikationen gab, beispielsweise in Form der Zeitschrift LIBREAS. Aber auch o-bib. Das offene Bibliotheksjournal könnte man an dieser Stelle nennen. 

Die entscheidende Frage bei Diamond Open Access bleibt natürlich die Finanzierung, denn selbst so schlanke Publikationen wie LIBREAS erfordern einen gewissen Overhead. Eine Möglichkeit für Journals wäre das Subscribe-to-Open-Modell, bei dem sich Institutionen zur Subskription bereiterklären und damit die Finanzierung des organisatorischen Aufwands der jeweiligen Open-Access-Publikationen absichern. Ein für unser Feld relevantes Beispiel wäre die im Nomos-Verlag erscheinende Zeitschrift RuZ – Recht und Zugang.  

Für einen solchen Publikationsrahmen sind zwei maßgebliche Positionen zu berücksichtigen. Die erste ist der Arbeitsaufwand für Herausgeber*innenschaften, Reviewing, Redaktionsarbeit und Disseminationsschritte. Zumindest die inhaltliche Programmarbeit, die Autor*innenbetreuung und die vielen unzähligen Kommunikationen, die die Erstellung eines Periodikums gemeinhin begleiten, werden auch in Zukunft vermutlich weitgehend über intrinsische Motivation abgesichert sein und bestenfalls mit einem Reputationsgewinns in der Community vergolten werden können.

Für den technischen, organisatorischen und infrastrukturellen Rahmen sind dagegen sehr konkrete Lösungen denkbar, die den Redaktionen das Leben und die Entscheidung, sich bei einer Diamond-OA-Publikation einzubringen, erleichtern. Wünschenswert wäre, so die Diskussion, eine stabile niedrigschwellige und verlässliche Infrastruktur und Publikationsunterstützung, die in der überschaubaren Hochschullandschaft im Land Brandenburg durchaus zentral und übergreifend angeboten werden könnte.

Die Vernetzungs- und Kompetenzstelle ist dafür in gewisser Weise als Organisationsmodell ein Good-Practice-Beispiel. Mit ihrer aktuellen Ausstattung und einem bereits dichten Arbeitsprofil zwischen Open-Access-Monographien-Fonds, -Monitoring und -Schulungen kann sie die Anregung jedoch momentan nur als Desiderat und Bedarf aufnehmen. 

3 Zentralisierung der Open-Access- und Publikationsunterstützung

Die Perspektive einer solchen Unterstützung ist zugleich an mehreren Stellen im Maßnahmenkatalog der Open-Access-Strategie des Landes Brandenburg vorbereitet. So bietet sie unter anderem unter der Überschrift “Hochschulverlag für das Land Brandenburg erwägen” diese Anregung:

”Geprüft wird darüber hinaus, inwieweit ein Hochschulverlag (ggfs. als gemeinsamer Hochschulverlag, z. B. der Fachhochschulen oder aller Einrichtungen) bestehende Publikationsstrukturen sinnvoll ergänzen kann.” (S. 16)

Dahinter steht nicht zuletzt die Beobachtung, dass kleinere Hochschulen naturgemäß auch einen vergleichsweise überblickbaren Output an Publikationen hervorbringen, für die sich sehr elaborierte hochschuleigene Publikationsinfrastrukturen, wie sie in der Open-Access-Strategie unter dem Punkt “Publikationsinfrastrukturen entwickeln und bereithalten” beschrieben werden (S.15), in der Praxis nicht immer umsetzen lassen.

Eine hochschul(bibliotheks)übergreifende Kollaboration bzw. landesweite Absicherung einer entsprechenden technischen und Dienstleistungsinfrastruktur könnte dagegen unterstützen, dass auch an diesen Einrichtungen entstehende Publikationen zuverlässig und sichtbar per Open Access erscheinen. Damit wäre zudem dem in der Strategie als Maßnahme für die Hochschulen verankerten Aspekt “Anreizstrukturen schaffen” (vgl. S.14f.) ebenfalls Rechnung getragen.

Als weiteren Punkt wäre schließlich die für die Landesregierung ausgegebene Maßnahme des Aufbaus einer Publikationsplattform (vgl. S.17) zu nennen. Für das Konzept der Vernetzungs- und Kompetenzstelle wurde dieser Aspekt aus zwei Gründen noch nicht priorisiert: Einerseits, weil wie bereits angedeutet die bereitstehenden Kapazitäten dies nicht hergegeben hätten und andererseits, weil alle Hochschulen bereits über ein Repositorium verfügen.

Nun zeigt sich der Bedarf aber neu, denn ein Repositorium allein bedeutet beispielsweise nicht zwingend auch eine erfolgreiche Durchsetzung auf den Aufmerksamkeitsmärkten. Zugleich greift der Kulturwandel hin zu Open Access. Rahmenbedingungen und Bedarfe verändern und differenzieren sich bzw. wachsen.

Zusammenfassend lassen sich aus der Diskussion zwischen Diamond OA und zentralen Infrastrukturen drei für Open Access in Brandenburg relevante Gesichtspunkte mitnehmen:

1 ein zentralisierter Ausbau von publikationsbegleitenden Infrastrukturen (z.B. OJS, eventuell ein zentrales Brandenburg-Repositorium etc.) und Dienstleistungen (Publikationsunterstützung für Erst- bzw. Zweitveröffentlichung, Dissemination und Showcasing, Rechtsberatung etc.), zur Absicherung einer qualitätsvollen und sichtbaren Bereitstellung des Publikationsoutputs der Hochschulen des Landes;

2 damit verknüpft die Möglichkeit eines übergreifenden Hochschulverlags, der neben Monografien, Sammelbänden, Reihen und möglicherweise Diamond-OA-Journals auch weniger traditionelle digitale Publikationsformen (Enhanced Publications, Living Documents etc.) für die Hochschulangehörigen leicht und offen publizierbar macht. Wir werden hierzu auch die Entwicklung von Berlin Universities Publishing sehr aufmerksam verfolgen.

3 eine zentrale Beratungs- und Informationsstelle für die Kommunikation der sich entwickelnden Publikationsstandards und Qualitätsanforderungen. Die Vernetzungs- und Kompetenzstelle erfüllt dies bereits bis zu einem gewissen Punkt für generelle Anforderungen. Dagegen werden fachspezifische Anforderungen, Standards und Publikationskonventionen, die nur kollaborativ mit Vertreter*innen der jeweiligen Communities im Blick behalten, aktualisiert und vermitteln werden können, bisher noch nicht systematisch adressiert. Eine solche Vernetzung könnte auch ein nächster denkbarer Entwicklungsschritt für die Vernetzungs- und Kompetenzstelle sein. 

4 Strukturelle Besonderheiten von Universitäten und Fachhochschulen

Als Spin-Off der Diskussion zu den Möglichkeiten einer technischen und dienstleistenden Unterstützung von Publizierenden an der Hochschulen trat noch ein weiteres Thema ins Zentrum der Diskussion: Die Hochschullandschaft in Brandenburg und das Verhältnis von kleinen und großen Einrichtungen. Die erwartbaren Unterschiede im Publikationsgeschehen zeigen sich beispielsweise deutlich in der Verteilung der Förderanträge des Publikationsfonds für Monografien. Es überrascht nicht, dass an den drei von buchkulturorientierten Disziplinen geprägten Einrichtungen (Filmuniversität, Universität Potsdam, Viadrina) im Vergleich deutlich mehr Monografien produziert werden als z.B. an den Fachhochschulen.

Dort entstehen dagegen beispielsweise sehr viele strukturierte Lehrmaterialien, die jedoch nicht über den Fonds bedient werden können und generell näher am Komplex des Kulturwandels zu offenen Bildungsmaterialien (OER) zu verorten wären. Aus der das Publikationsaufkommen betreffenden Lücke ergibt sich in gewisser Weise eine der Versorgung, wobei OER durchaus bereits in Brandenburg mit Projekten adressiert wurde und wird.

Dennoch bleibt an diesem Schnittpunkt, beispielsweise bei offenen Lehrbüchern bzw. Open Textbooks, ein bisher wenig adressierter Unterstützungsbedarf, der sich in Verbindung mit den oben genannten Maßnahmen sehen und adressieren lässt. Der auch für solche Formate geöffnete Publikationsfonds für Open-Access-Monografien des Landes Brandenburg ist immerhin ein Instrument der finanziellen Unterstützung auch solcher Publikationsprojekte. Deutlich ist aber auch, dass innovative und weniger auf klassischen Vorbildern aufbauende Formate und Projekte in der Praxis oftmals mehr brauchen als einen finanziellen Zuschuss. Notwendig sin neben einer umfassenden Beratung und möglicherweise auch Abstimmungen zur Produktionskette und zu Qualitätsstandards erfordern auch infrastrukturelle Lösungen zu Publikation, Präsentation und Vermittlung, die bislang selten systematisch aufgefangen werden.

5 Fazit

Generell lässt sich, erneut, festhalten, dass jede Hochschule im Land Brandenburg an sich besonders ist und entsprechend besondere Anforderungen, Bedarfe und Wahrnehmungsformen zu Open Access mitbringt. Zugleich gibt es einige übergreifende Anforderungen, wie beispielsweise das Hosting von Open-Access-Inhalten auf Hochschulrepositorien. Interessant ist dabei, dass eine Lösung wie DSpace für kleine Einrichtungen auch im Hosting zu groß dimensioniert erscheint, OPUS dagegen wiederum bestimmte funktionale Anforderungen nicht ausreichend erfüllt. Die Idee eines Brandenburg übergreifenden, zentral betreuten und damit leistungsfähigerem Repositoriums erscheint vor diesem Hintergrund durchaus berücksichtigenswert. Bisher ist es freilich nur genau das: eine Idee aus dem Open-Access-Smalltalk. 

Abgesehen von den Repositorien selbst steht besonders mit dem Trend zu Diamond OA der Ausbau von publikationsbegleitenden und -unterstützenden Dienstleistungen im Raum, für die infrastruktur- und hochschulseitig bisher nur bedingt Ressourcen und Zuständigkeiten bereit stehen und für die zugleich eine zentrale Unterstützung sinnvoll erscheint. Die Idee eines dann nicht Universitäts- sondern hochschulübergreifenden Verlags für alle Einrichtungen des Landes Brandenburg wird damit wieder stärker zu einer denkbaren Option. 

Wir werden diese Ideen, Bedarfe und Entwicklungen als Vernetzungs- und Kompetenzstelle selbstverständlich im Blick behalten und gehen stark davon aus, dass sie uns auch bei kommenden Ausgaben des Open-Access-Smalltalk beschäftigen werden. Kommentare, Anregungen und Hinweise sind dann und natürlich auch jederzeit per E-Mail sehr willkommen.