03.04.2024 | Team OA Brandenburg

Wie entsteht eine – offene – wissenschaftliche Zeitschrift? Rückschau auf einen Workshop der TIB Hannover.

Ein Gastbeitrag von Yan Heinemann (Studentischer Mitarbeiter im Projekt KidRewi und in der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg) 

Vorbereitung des Workshops   

Im Rahmen des fünftägigen Workshops „Wie entsteht eine wissenschaftliche Zeitschrift?“ lernten die Teilnehmenden vom 19. bis 23. Februar 2024 die Grundlagen des wissenschaftlichen Publizierens sowie die Abläufe bei der Produktion einer wissenschaftlichen Zeitschrift kennen. Für das Projekt KidRewi und für die VuK nahm Yan Heinemann am Workshop teil. Yan studiert im zweiten Semester Bibliothekswissenschaft an der Fachhochschule Potsdam.  

Während der Vorstellungsrunde zeigte sich ein diverses Feld an Teilnehmenden, zum Beispiel darin, dass die Beteiligten aus verschiedenen Fachbereichen wie den Digital Humanities, dem Bibliothekswesen, der Mathematik, der Hochschulkommunikation oder dem Bauingenieurswesen kamen. Ihre Qualifikationen reichten von Erfahrungen als Studierende über Fachbuchlektor*innen bis zu wissenschaftlichen Autor*innen oder Führungskräften in Bibliotheken. Die Teilnehmenden verband trotz der vielfältigen Hintergründe das gemeinsame Interesse an der Open-Access-Transformation.  

Den Workshop vorbereitend bot ein Selbstlernkurs der TIB Hannover einen ersten komprimierten Überblick zu Themen wie dem wissenschaftlichen Publizieren, guter wissenschaftlicher Praxis (DFG-Leitfaden (PDF)), Urheberrecht und Datenschutz sowie den unterschiedlichen Arten des Peer Reviewing.  

Neben dem Selbstlernkurs erhielten die Teilnehmenden außerdem vorab die Aufgabe, einen wissenschaftlichen Zeitschriftenartikel über die Geschichte und Hintergründe von Open Access zu formulieren. Dieser Text wurde im Verlauf des Workshops bei einer fiktiven Zeitschrift eingereicht und begutachtet, um den Publikationsprozess beispielhaft transparent und nachvollziehbar für die Teilnehmenden möglichst komplett abzubilden und durchzuspielen.  

Als dritte Aufgabe sollten Überlegungen über eine selbstgewählte Fachzeitschrift angestellt und einige Fragen zur Finanzierung, der Zielgruppe, dem Open-Access-Bezug sowie zur inhaltlichen und visuellen Gestaltung beleuchtet werden.  

Alle relevanten Ressourcen, die während der Vorbereitung oder im Verlauf des Workshops eine Rolle spielten, stehen den Teilnehmenden auch nach Abschluss des Workshops weiterhin zur Verfügung. Dies ist besonders für Einsteiger*innen im Bereich Open Access, Publikationswesen und wissenschaftlichem Arbeiten äußerst bereichernd. 

Von OJS bis KOALA 

Mit Blick auf die Open-Access-Transformation und angesichts des Trends zum wissenschaftsgeleiteten Publizieren ist es wichtig, dass Wissenschaftler*innen sowie andere Beteiligte Kompetenzen erwerben, um aktiv an der Transformation des wissenschaftlichen Publikationssystems mitwirken zu können.  

In diesem Zusammenhang erstellten die Teilnehmenden mithilfe der Software Open Journal Systems (OJS) eine fiktive wissenschaftliche Zeitschrift, um anhand der eingereichten Artikel den gesamten Publikationsprozess eines Manuskripts in verschiedenen Rollen wie Autor*innen, Gutachter*innen und Herausgeber*innen durchzugehen. 

OJS ist ein eine Open-Source-Software des Public Knowledge Project zur Verbreitung von Forschungsergebnissen und zur Verwaltung des gesamten Publikationsprozesses wissenschaftlicher Journale. Zusätzlich werden auch Plattformen für Monografien (OMP) und für Preprint-Server (OPS) vom Public Knowledge Project zur Verfügung gestellt.  

Die verschiedenen Aufgaben, die den Verantwortungsbereichen der Rollen in OJS zugeordnet sind, wurden am Beispiel von TIB Open Publishing vorgestellt. Dabei handelt es sich um eine Open-Access-Publikationsplattform auf Basis von OJS, die sich auf Konferenzpublikationen und wissenschaftliche Journale konzentriert. TIB Open Publishing ist ein Ort für Diamond-OA-Publikationen und steht für alle Fachgebiete offen, legt jedoch einen Schwerpunkt auf das Fächerspektrum der TIB, also insbesondere technische und naturwissenschaftliche Disziplinen.   

Zu den Aufgaben der Autor*innen bei TIB Open Publishing gehört neben dem Verfassen der Beiträge auch das Berücksichtigen von inhaltlichen und formalen Änderungsvorschlägen. Das Fächerspektrum der TIB betrachtend, spielt auch die sorgfältige Durchführung von Experimenten eine wichtige Rolle. Mit wechselnden Fachgebieten wechseln also auch die Aufgaben und Anforderungen, was nicht zuletzt für Gutachter*innen von wesentlicher Bedeutung ist. Diese überprüfen unter anderem, ob die Resultate und Schlussfolgerungen plausibel sind, ob geeignete Methoden verwendet wurden, ob aktuelle Literatur berücksichtigt wurde und ob offensichtliche Plagiate vorliegen. Anschließend an die Qualitätskontrolle diskutierten die Beteiligten, welche Art des Open Peer Reviews den Teilnehmenden für die fiktive Zeitschrift am geeignetsten erschien.  

Einen Praxiseinblick bot Xenia von Edig, Mitarbeiterin im Bereich Publikationsdienste der TIB. Sie berichtete aus ihrem Arbeitsalltag über technische und redaktionelle Workflows bei der Produktion einer wissenschaftlichen Zeitschrift. Dabei beleuchtete sie auch die Finanzierung und die Angebote von TIB Open Publishing. Neben einem Publikationsfonds sowie den Vereinbarungen mit Verlagen und Forschungsgemeinschaften zur Finanzierung der anfallenden APCs (Article Processing Charges) und BPCs (Book Processing Charges) wurde auch die konsortiale Open-Access-Lösung KOALA der TIB vorgestellt. Diese ist als direkte Alternative zum vorherrschenden APC-Modell gedacht. 

Impact und Impact-Messung 

Zum Ende des Workshops, als die Zeitschrift als fertige Publikation vorlag, beschäftigten sich die Teilnehmenden mit der Frage, wie Sichtbarkeit und Attraktivität der Zeitschrift gesteigert werden könnten. Die Vergabe von geeigneten Metadaten und eindeutigen Identifikatoren, wie beispielsweise DOI, ORCID und ROR, spielten dabei die zentrale Rolle. Eine eindeutige Identifikation von Publikationen und deren Zuordnung zu Autor*innen ist nicht nur im Sinne der guten wissenschaftlichen Praxis von Bedeutung, sondern auch für die Glaubwürdigkeit der Zeitschrift wichtig. 

Wie diese Sichtbarkeit gemessen werden kann und was diese Messungen problematisch macht, wurde anschließend an drei Beispielen diskutiert. So lege beispielsweise der Hirschindex, der sich per Definition aus der höchsten Anzahl der Publikationen Forschender und der Häufigkeit ihrer Zitation ergibt, hauptsächlich Wert auf Quantität anstatt Qualität. Dies begünstigt wissenschaftliches Fehlverhalten wie das Bilden von so genannten Zitationskartellen. 

Der Journal Impact Factor (JIF) ist wiederum eine errechnete Kennzahl, die den Einfluss einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift widerspiegeln soll. Allerdings ist die Ermittlung des Impact Factors intransparent und dadurch fehleranfällig. Er wird oft als Kriterium für die Qualität einer Zeitschrift betrachtet, sage jedoch nichts über die Qualität der einzelnen Artikel aus und ist stark vom Fachgebiet abhängig, da unterschiedliche Fachbereiche unterschiedliche Zitierkulturen pflegen. Zudem berücksichtigt er nur die Zitationszahlen der jeweils letzten zwei Jahre. 

So genannte Altmetrics hingegen verwenden Referenzen in Nachrichten, Social Media und Wikipedia-Artikeln und ist damit eher ein Maß für die breitere Popularität eines Themas, nicht für dessen wissenschaftliche Relevanz.  

Fazit 

Spannend war insbesondere, dass die meisten Diskussionen tatsächlich im Kontext der fiktiven Zeitschrift stattfanden. Dabei wurden Fragen wie „Wie soll sich unsere Zeitschrift finanzieren?“, „Welche Elemente sind für unseren Onlineauftritt unverzichtbar und welche optional?“ oder „Welche Prozesse wollen wir intern übernehmen und welche extern auslagern?“ in verschiedenen Gruppenübungen erörtert und im Anschluss zusammengetragen. Die Teilnehmenden profitierten somit von ihren vielfältigen Hintergründen, durch die ein kritischer Blick geschult wurde.  

Der Workshop lieferte wichtige Impulse und inspirierte zur weiteren Beschäftigung mit dem Thema, die dank der umfangreichen zusätzlichen Informationen nachhaltig vertieft werden können. Die Betrachtung des weitreichenden Themas Open Access durch die Linse von OJS und TIB Open Publishing half dabei, es auf anschauliche Weise zu fokussieren.  

Der Grundgedanke der Offenheit sollte darüber hinaus unbedingt mit dem Streben nach digitaler Barrierefreiheit einhergehen, was meines Erachtens in der Verantwortung aller Beteiligten liegt. Dies gilt nicht nur für die Teilnehmenden des Workshops, sondern für alle, die an der Open-Access-Transformation mitwirken. 

Weiterführende Informationen: 

  • Paper zur Zukunft des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens:   
    Pampel, H., Bargheer, M., Bertelmann, R., Kaden, B., Wrzesinski, M., Kindling, M., & Schobert, D. (2024). Thesen zur Zukunft des wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Publizierens (Version 2.0). Open-Access-Büro Berlin. https://doi.org/10.21428/986c5d43.77851a7c
  • Debattenbeitrag zum Begriff „Diamond Open Access“: Dellmann, S., van Edig, X., Rücknagel, J., & Schmeja, S. (2022). Facetten eines Missverständnisses: Ein Debattenbeitrag zum Begriff „Diamond Open Access“. O-Bib. Das Offene Bibliotheksjournal / Herausgeber VDB9(3), 1–12. https://doi.org/10.5282/o-bib/5849