17.02.2022 | Ben Kaden
Bericht zum II. Workshop für Vernetzungsstellen. Datum: 8. Februar 2022
Eine Herausforderung der Open-Access-Transformation liegt in der Steuerung der dazu notwendigen Maßnahmen. Unterschiedliche Ansätze sind denkbar. Eine Weile gab es die Vorstellung, die Fachcommunities könnten große Teile der Aufgabe schultern und performativ Tatsachen schaffen. Wie sich zeigte, gelingt diesen einigen sehr gut und anderen kaum. Ein andere Ansatz war, dass die Hochschulen selbst als treibende Kräfte aktiv werden. Und tatsächlich gibt es weitverbreitet Repositorien und an fast jeder Bibliothek auch eine Person, die sich mit Open Access befasst. Aber auch in diesem Bezugsrahmen zeigen sich unterschiedliche Geschwindigkeiten und mehr noch Handlungsoptionen.
Um also die Open-Access-Transformation nicht selektiv, sondern umfassend und integrativ zu gestalten, wird sie mittlerweile stark als wissenschaftspolitisches Thema verstanden und gefördert. Da in der Bundesrepublik die Hochschulbildung weitgehend Sache der Bundesländer ist, finden sich folgerichtig mehr und mehr Initiativen, die die Hochschullandschaft auf jeweils Landesebene als Bezugsfeld adressieren.
Für die Optimierung der Wirksamkeit und die strategische Koordination ist das naheliegend. Das zweite zentrale Argument einer Koordination und Unterstützung auf Landesebene betrifft die Ressourcen. Die Idee ist jeweils, dass nicht jede Hochschule oder Wissenschaftseinrichtung für sich alle strategischen, organisatorischen und inhaltlichen Open-Access-Elementen für sich bearbeitet. Gerade gemeinsame und übergreifende Ziele und Herausforderungen können über eine zentrale Anlaufstelle gesammelt, aufbereitet und koordiniert werden. Zudem wirkt eine Landesinitiative als eine Art Open-Access-Monitoring im erweiterten Sinne: Sie ermöglicht es den Wissenschaftsministerien und den Hochschullandeskonferenzen auf Abruf den aktuellen Einblick in die Gesamtheit des Open-Access-Geschehens im Land.
Die Konkretisierung erfolgt unterschiedlich. Eine Lehrbuchvariante für eine Landesinitiative Open Access existiert bislang noch nicht. Da sich die Hochschullandschaften unterscheiden, ist dies vielleicht auch gar nicht erstrebenswert. Was es jedoch mittlerweile gibt, sind zahlreiche Praxiserfahrungen und weiterführende Erkenntnisse zu Landesinitiativen. Um diese wechselseitig nutzbar zu machen, findet die, wenn man so will, entsprechende Community regelmäßig in einem Werkstattformat zueinander.
Zuletzt geschah dies am 08. Februar. Dass die entsprechende Runde nur einen Ausschnitt aus der Bundesländervielfalt zusammenbrachte, namentlich Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, unterstreicht zugleich die grundlegende Herausforderung, den Prozess der Etablierung einer solchen Initiative erst einmal anzustoßen und mit Mandaten zu unterlegen. Womit bereits eine erste Aufgabe für Open-Access-Akteur*innen an den jeweiligen Schnittstellen zur Wissenschaftspolitik bestimmt ist: Sie müssen den Sinn und Zweck sowie die Potentiale eines so konzentrierten Gestaltungsansatzes für die jeweilige Transformation der Hochschulen in Richtung Open Access, Open Science und Open Research zum Beispiel in die Ministerien und die Abstimmungsgremien der Hochschulen vermitteln.
Wie groß der Bedarf für transformationsbegleitende Unterstützungsleistungen ist, zeigen unter anderem Einsichten aus einem Teilprojekt der Initiative “BigDIWA – Bibliotheken gestalten digitalen Wandel” des Landes Baden-Württemberg. Dieses lief unter dem Titel „Implementierung von Open Access an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAWen) und den Pädagogischen Hochschulen (PHen) in Baden-Württemberg“ und untersuchte die entsprechenden Anforderungen, Rahmenbedingungen und Möglichkeiten. Verena Halbherr und Nadine Reimer präsentierten eine Reihe von Ergebnissen und erläuterten, wie insbesondere kleinere Hochschulen die Möglichkeiten von Open Access und den Transformationsdruck zwar oft sehen, diese jedoch aufgrund verschiedener Faktoren nicht zureichend adressieren können. Hürden finden sich oft in der Ausstattung und in der Infrastruktur, aber auch im Bereich struktureller Grundlagen wie Policies.
Da es auch perspektivisch für viele Hochschulen nicht möglich sein wird, lokal vollumfängliche Open-Access-Strukturen zu schaffen, liegt die Einrichtung eines übergreifenden Kompetenzzentrums nah. Ob sich dies auf die HAWs und PHs beschränkt oder in eine Gesamtstrategie für die Hochschulen und Universitäten in Baden-Württemberg münden sollte, bleibt Gegenstand zukünftiger Entwicklungen.
Entwickelt wird auch in Nordrhein-Westfalen, und zwar eine Landesstrategie. Die Initiative openaccess.nrw folgt dem Motto “Auf dem Weg zu einer landesweiten Servicestruktur für Open Access”. Katrin Falkenstein-Feldhoff und Miriam Kötter berichteten über die aktuellen Wegmarken, wobei das Jahr 2022 auch deshalb spannend werden dürfte, weil das Jahr eine Landtagswahl und im Anschluss eine neue Landesregierung bringen wird.
Da Hochschulpolitik im föderalen System der Bundesrepublik, wie erwähnt, weitgehend Ländersache ist, ist es die hochschulbezogene Open-Access-Politik entsprechend ebenfalls. Wie dazugehörige Landesprojekte und -initiativen mit Haushaltsmitteln und Regierungsprogrammen unterstützt werden, hängt daher von den Schwerpunktsetzungen der jeweiligen Ministerien und Parlamente ab. Das ist in Düsseldorf nicht anders als in Potsdam oder Berlin. Die Herausforderung dabei ist freilich, dass die Projekte immer auch im Takt der Wahlzyklen planen müssen, was angesichts der Daueraufgabe Open-Access-Transformation, die weniger terminierbar abläuft, seine Tücken hat.
Als übergreifender Trend sind die Öffnung der Wissenschaft und wissenschaftlichen Kommunikation ebenso wie die Hochschuldigitalisierung aber generelle Leitentwicklungen. Die Ausrichtung der Initiative Digitale Hochschule NRW auf Openness wird also sicher bleiben. Drei Cluster pflastern dabei den Weg zur Open Science: 1. Formen der Qualitätssicherung wissenschaftlichen Outputs, 2. Nutzungsszenarien, die Grundlagen für konkrete Maßnahmen bilden sowie 3. adäquate, also “hochwertige Service-Angebote für Wissenschaftler*innen”.
Die stimmige Form und zugleich einen Orientierungsplan für die nähere Zukunft der Openness in NRW wird eine Landesstrategie zur Förderung von Open Access und Open Science bieten, mit deren Bearbeitung eine AG Openness betraut ist. Diese führt die Perspektiven von Hochschulleitungen, Bibliotheken, Wissenschaft und Wissenschaftspolitik zusammen. Geplant ist eine gestufte Vorlage: Eine Strategie zu Open Access soll in diesem Jahr erscheinen, eine zu Open Science ist für 2023 geplant. Diese Linie entspricht, wenn man so will, ebenfalls nahezu allgemeingültigen Erfahrungswerten. Das offene wissenschaftliche Publizieren, also Open Access, besitzt im Gefüge der Open Research den höchsten Etablierungsgrad. Zugleich ist der Druck, hier zu partizipieren, aufgrund diverser Weichenstellungen in Politik und Förderung für die Forschenden am größten. Beides sorgt dafür, dass sich die Wissenschaftler*innen über Open Access leichter erreichen lassen, wobei bereits das oft schwer genug ist.
In Brandenburg läuft ein ähnlicher Prozess und auch in Berlin ist die Richtung so angelegt: Erst Open Access und perspektivisch Open Science. Da aber die Länder voneinander lernen, wird interessant sein, ob andere Bundesländer, die eine Konsolidierung ihrer Openness-Strategien erst noch angehen, möglicherweise direkt und integrativ auf Open Science setzen werden.
Wie man konkret in Openness-Strategien einsteigt, ist nicht trivial, da daraus Pfadabhängigkeiten entstehen können. Zugleich muss jeder Ansatz die Umsetzbarkeit berücksichtigen. Eine Strategie beweist sich in der Praxis und zwar am Kriterium der Machbarkeit mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen und im konkreten Handlungsrahmen.
Dass es die Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg gibt, zeigt, dass im Prozess vieles richtig gemacht wurde. Unsere Hauptzielgruppe sind die Hochschulen des Landes. Sie sind die konkreten Orte, an denen Open Access derzeit etabliert wird. Eine interessante Einsicht ist, dass auch sie jeweils eigene Vorstellungen und Anforderungen zum Thema haben. Diese angemessen aufgreifen zu können und gemeinsame strategische Ziele zu identifizieren, gelingt nur über die Einbindung aller Stakeholder*innen.
Dies deckt sich mit Erfahrungen aus der Entwicklung der brandenburgischen Open-Access-Strategie. Wird diese Strategie in eine Dienstleistungsinfrastruktur übersetzt, also in die Vernetzungs- und Kompetenzstelle, ergibt sich daraus als erste Anforderung ein fortlaufendes Management unterschiedlicher Erwartungen und Interessen. Dies führt zur zweiten Anforderung: Priorisierung: Wir können naturgemäß nicht alle Wünsche und Anforderungen zur gleichen Zeit gleichermaßen bearbeiten. Die Open-Access-Strategie ist dabei die willkommene Richtschnur. Jedes Bundesland, das sich eine solche formuliert, sollte dies beim Formulieren berücksichtigen.
Eine nächste Einsicht ist, dass das Thema Open Access für uns prioritär ist, für andere Stakeholder*innen aber nur ein Thema unter vielen und oft aus guten Gründen nicht das relevanteste. Überzeugungsarbeit, Geduld und die Gestaltung klarer und angepasster Informationen sind die Voraussetzung, auch diese Stakeholder*innen einzubinden.
Dafür braucht es auch innerhalb des Teams der Länderinitiative klare Vorstellungen und eine eigene Position. Die Open-Access-Strategie ist auch dafür ein Ankerpunkt. Zugleich muss der Blick nach vorn gehen. Die Rahmenbedingungen und Open Access an sich sind durchweg in Bewegung. Daher ist eine Open-Access-Strategie ebenfalls als eine Art “lebendes Dokument” zu verstehen und sollte regelmäßig evaluiert und aktualisiert werden. Auch das Profil einer Landesinitiative folgt immer der Grundlage, entwickelt sich aber auch reflexiv mit ihrem Umfeld.
Abschließend betonte Ben Kaden einige Schlüsselaspekte für ein erfolgreiches Aufstellen einer solches Initiative: Sichtbarkeit, ein stabiles Organisationsmodell, eine Verstetigungsperspektive und das Verständnis von “Team” im erweiterten Sinn. Je mehr Stakeholder*innen sich mit den Zielen und dem Programm einer Initiative intrinsisch identifizieren und sich nicht nur als Dienstleistungsnehmer*in sondern als Mitgestalter*in begreifen, desto fester ist die Basis für die Initiative.
Die jeweiligen Inputs und die Folgediskussion führten zu vier Eckpunkten, die man generell für Länderinitiativen berücksichtigen kann.
Open Access, Open Science und Open Research sind aus der Perspektive des Workshops in einem wissenschaftspolitischen Rahmen zu verstehen. Der Erfolg von Vernetzungsstellen und Länderinitiativen als Akteurinnen zur Begleitung und Steuerung der Open-Access-Transformation wird nur gelingen, wenn die Politik sowohl programmatisch als auch strukturell die notwendigen Voraussetzungen nicht nur anregt, sondern auch dauerhaft absichert. Es geht nicht nur darum, das Thema auf die Agenda zu setzen, sondern auch darum, politische Akteure einzubinden, die den Transformationsprozess gestaltend und kontinuierlich begleiten. Die Praxis zeigt, wie unterschiedlich die Vorstellungen, welche Art von Open Access und Open Research gewünscht ist, in der politischen Willensbildung ausfallen. Openness kann jenseits des Grundprinzips eines offenen Zugangs und möglichst großer Partizipativität in großer Variation ausgestaltet werden. Openness-Strategien müssen einerseits Festlegungen formulieren, um wirkungsvoll zu sein und andererseits entwicklungsoffen bleiben.
Länderinitiativen können in diesem Zusammenhang einer Vermittlungsrolle übernehmen. Sie wirken nicht nur in die Wissenschafts- bzw. Hochschullandschaft des jeweiligen Bundeslands, sondern unterstützen idealerweise übergreifend und fortlaufend den Prozess der wissenschaftspolitischen Agendaentwicklung aktiv mit ihrer Expertise.
Die Position, nach der Open Access eine Thema allein der publizierenden Wissenschaftler*innen ist und die Belgeitung durch allein durch die Hochschulbibliotheken erfolgen kann, ist empirisch gesehen unzureichend. Dazu bewegt sich die Open-Access-Transformation in zu komplexen Gemengelagen. Neben wissenschaftspolitischen Schwerpunktsetzungen spielt eine ganze Bandbreite von Fragen der Finanzierung von Open Access über rechtliche Anforderungen bis hin zur Hochschulentwicklung und die Einbettung von Open Access in Open Research in generellen Digitalisierungsbestrebungen eine Rolle. Die Potentiale offener Wissenschaft an den Schnittstellen zur Öffentlichkeit beispielsweise im Sinne einer Bürger*innenwissenschaft sind ebenso in den Blick zu nehmen, wie die zu Aspekten von Open Culture und Open Government. Gleiches gilt für ökonomische Aspekte in Hinblick auf die Geschäftsmodelle von Verlagen und anderen Open-Access-Dienstleistern sowie die generell Anreize für neue digitale Geschäftsmodelle setzende Openness. Bei einer entsprechenden Ausgestaltung kann Openness auch außerhalb der Wissenschaft wichtige Innovationsimpulse setzen und ist damit an eine feststellbare Outreach-Erwartung an die Wissenschaft.
Die Interaktion mit unterschiedlichen Stakeholder*innen, nicht zuletzt unter den Bedingungen einer asymmetrischen Verteilung von Steuerungsmacht, erfordert jeweils angepasste Kommunikationsstrategien. Ähnliche Effekte sind bereits aus der allgemeinen Open-Access-Beratung bekannt. Wissenschafts- und organisationssoziologische Effekte wirken auch in diesen Kontexten. Allgemein gilt: Unterschiedlich motivierte und vorinformierte Zielgruppen benötigen unterschiedliche Ansprachen. Eine Herausforderung ist für die oft sehr tief im Thema befassten Vertreter*innen aus dem Open-Access-Bereich, eine jeweils optimale Kommunikationslinie zu entwickeln. Erschwert wird dies bei Kommunikationen mit Entscheider*innen und über Hierarchieebenden hinweg, insbesondere dann, wenn die jeweiligen Interessenlagen nicht passgenau sind. Nicht jede Person, mit der man zu tun hat, ist gleichermaßen von den Zielpunkten und den Maßnahmen zur Gestaltung der Open-Access-Transformation überzeugt. Dies spitzt sich spätestens dann zu, wenn beispielsweise Verteilungskonkurrenzen zu berücksichtigen sind.
Es gibt hier keine Musterlösung. Aus den Erfahrungen lässt sich aber ableiten, dass es hilft, wenn allen Beteiligten in einem Abstimmungsprozess die Interessenlagen der jeweils anderen transparent sind.
Entsprechend ist neben der prinzipiellen Partizipativität auch eine möglichst weitreichende Sichtbarkeit und Transparenz der Aktivitäten der Landesinitiativen sinnvoll. Dies entspricht zugleich den grundsätzlichen Anspruch an eine gelebte Openness. Die Open-Access-Transformation ist auf der Ebene der Landesinitiativen zu einem großen Teil Kommunikation. Ihre Arbeit ist informierend, programmbildend, beratend und impulsgebend. Bei ausreichend institutioneller Stabilität kann sie Rollen im Bereich der Koordination und Problemlösung übernehmen. Darüber hinaus bleiben die Initiativen einer von vielen Bausteinen der digitalen und auf Openness gerichteten Transformationen in der Wissenschaft.
Zum Abschluss der Veranstaltung verständigten sich die Teilnehmenden darüber, dem internen Austausch noch mehr Struktur zu geben. So sind eine Mailingliste und regelmäßige Treffen geplant. Der Kreis der Teilnehmenden soll sukzessive erweitert werden, da in weiteren Bundesländern, beispielsweise dem Saarland, ähnliche Initiativmaßnahmen beginnen. Die Aktivitäten der Landesinitiativen sollen auch durch open-access.network sichtbarer werden. Über den Austausch von Erfahrungen in den einzelnen landesbezogenen Maßnahmen will man die Open-Access-Transformation in Deutschland begleiten.