17.11.2023 | Ben Kaden
Aus dem uns in mehrfacherer Hinsicht nahen Berlin erreicht uns diese Woche die Nachricht eines nächsten strategischen Schritts in Richtung Offene Science bzw. Open Research. Und zwar bestätigten am 15. November die akademischen Gremien der vier an der Berlin University Alliance (BUA) beteiligten Universitäten, Freie Universität Berlin (FU), Humboldt-Universität zu Berlin (HU), Technische Universität Berlin (TU) und Charité – Universitätsmedizin Berlin, das im Mai 2023 vorgelegte Leitbild für Offene Wissenschaft. Damit gibt es für die großen Hochschulen der Stadt eine einheitliche Handlungsleitlinie in diesem Bereich.
Interessant und das erste Takeaway ist die Gestaltung des Prozesses. Die Entwicklung erfolgte über Konsultationen mit unterschiedlichen Fokusgruppen, die weit über den Kernbereich der Open-Access-Community hinausreichen. Vielmehr ist Open Access als offener Zugang zu wissenschaftlichen Publikation nur ein Baustein der „OpenX“ genannte Strategieentwicklung:
Deutlich wird, dass die Transformation der Wissenschaft zu mehr Offenheit neben dem Zugang zu Veröffentlichungen, Daten und wissenschaftlichen Werkzeugen auch a) Kompetenzen beinhaltet, b) eine gesellschaftliche Perspektive mit Bürger*innenwissenschaften und Wissenstransfer enthält sowie c) auch die Generierung wissenschaftlicher Reputation und Qualitätssicherung verändern muss. Damit dies auch einen entsprechenden Rückhalt in den Communitys hat, sind diese idealerweise von Beginn an und fortlaufend zu beteiligen.
Offenheit bedeutet dabei, das als zweites Takeaway, mehr als Zugang. Transparenz, Kooperation und Nachnutzbarkeit sind die drei Ansprüche, die mit dem übergeordneten Ziel Forschung, Lehre und Wissenstransfer diverser und inklusiver zu gestalten, also der Wissenschaft eine spürbar ausgeprägtere gesellschaftliche Rolle und Anbindung zu geben. Damit wird sie neuen Erwartungen aus der Gesellschaft gerecht, die ein zeitnahes Aufgreifen und Bearbeiten akuter Problemlagen und konkret auf Problemlösungen orientierte Innovationsprozesse durch Forschung und Wissenschaftseinrichtungen beinhalten.
Mit dem Open-Access-Gedanken und den Entwicklungen in den anderen Komplexen von Offenheit in der Wissenschaft sowie den entsprechenden vorhandenen Strukturen in den Hochschulen gibt es, dies als drittes Takeaway, eine etablierte Grundlage für die Entwicklung, Begleitung und Umsetzung dieser Schritte. Bestimmte Teilaspekte, die sich noch stärker im Fluss befinden, beispielsweise offene Forschungsprozesse, also Open Methodology, offene Begutachtungsverfahren bzw. Open Peer Review, und offene Bildungsressourcen bzw. Open Educational Ressources können in ähnlicher Weise wie Open Access adressiert werden.
Ein weiteres, viertes Takeaway ist die Betonung, dass gerade offene Wissenschaft auch verantwortungsbewusste Wissenschaft sein muss. Ein gutes Beispiel sind die so genannten CARE Principles. Die Wissenschaftsethik und eine nach Fachkulturen differenzierte Umsetzung der Anforderungen von Open Research sind ein zentraler Komplex in der Transformation und entsprechend Teil des Leitbilds.
Das alles kumuliert für das Leitbild in einer Art Mission Statement, das als fünftes Takeaway hier vollständig zitiert werden soll (aus: BUA: Ein Leitbild für eine Offene Wissenschaft der Berlin University Alliance. 16.11.2023, https://www.berlin-university-alliance.de/commitments/research-quality/open-science/Leitbild-fuer-OS/index.html):
als Verbund einen Wandel der Veröffentlichungskultur hin zu einer vielfältigen, nicht-profitorientierten, wissenschaftsgetriebenen Open-Access-Kultur für Forschungsergebnisse zu unterstützen;
gemeinsame Weiterbildungsangebote für Angehörige der Verbundpartnerinnen zu fördern und Wissen und Fähigkeiten für offene Wissenschaftspraktiken bereits frühzeitig in den weiterführenden Studiengängen und in der Promotionsausbildung zu verankern;
den gemeinsamen Ausbau der Serviceangebote für verschiedene Open-Science-Praktiken zu fördern und dafür jeweils individuelle Schwerpunkte einzubringen;
gemeinsam mit unseren Berliner Partner*innen eine nachhaltige technische und organisatorische Infrastruktur für zeitgemäßes Forschungsdatenmanagement bereitzustellen;
als Verbund neue und vielfältige Anreize für die Aufnahme von Open-Science-Praktiken zu erproben;
uns gemeinsam im Einklang mit internationalen Initiativen für Transparenz, Angemessenheit und Fortschrittlichkeit bei der Bewertung von individuellen Forschenden und Forschungsteams einzusetzen;
Mitarbeiter*innen aus relevanten wissenschaftsunterstützenden Bereichen für die Bedarfe und Förderung von offener Wissenschaft zu sensibilisieren;
Forschungs- und Implementationsprojekte zu den diversen Praktiken offener Wissenschaft zu fördern, die deren Verankerung und Vertiefung im Alltag der Fachdisziplinen reflektieren und unterstützen;
uns im Dialog mit der Politik für die Förderung offener Wissenschaft und die Schaffung der hierfür notwendigen finanziellen, organisatorischen und rechtlichen Voraussetzungen einzusetzen.
Mit dem Leitbild der Berlin University Alliance wird Berlin seiner schon traditionellen Vorreiterrolle im Bereich Open Access und Open Research ein weiteres Mal gerecht. Auch dieser Ansatz dürfte als Best-Practice-Beispiel von anderen Bundesländern in den Blick genommen werden.
Eventuell entsteht sogar ein direkter Austauschprozess, der wiederum auch deshalb auf das Leitbild zurückwirken könnte, weil dieses von vornherein als „Living Document“ aufgesetzt wurde und somit unmittelbar weiterentwickelt werden kann. Dass eine offene Policy-Gestaltung und Strategieentwicklung auch selbst derart offen sein sollte, ist das abschließende, sechste Takeaway.