15.01.2024 | Sharon Hundehege
Das von der US Office of Science and Technology Policy (OSTP) ausgerufenen „Year of Open Science“ ging mit dem Jahr 2023 zu Ende. Die Forderungen wirken aber selbstverständlich weiter und waren von Beginn an mit einer längeren Perspektive versehen. So legte das Memorandum des Office of Science and Technology Policy (OSTP) aus dem August 2022 (PDF-Download) als spätesten Zeitpunkt für einen in entsprechenden Policies festgeschriebenen unmittelbaren Open-Access-Zugang zu mit öffentlichen Mitteln gefördertem Forschungsoutput, also Forschungsaufsätze und -daten, die Deadline 31.12.2025 fest.
Ein Beitrag für Nature aus dem Dezember 2023 beleuchtete nun einige der mit der Entwicklung verbundenen Herausforderungen aus der Perspektive der Rolle, die Archivar*innen und Bibliothekar*innen bei der Umsetzung dieses Ziels spielen können.
Die Umsetzung von Open Science wirft eine Vielzahl von Fragen insbesondere in Bezug auf die Langzeitarchivierung und den dauerhaften öffentlichen Zugang zu Forschungsdaten auf. Es sind diverse technische, rechtliche, organisatorische, finanzielle sowie forschungskulturelle Aspekte zu berücksichtigen. Aus technischer Sicht erweist sich besonders die Vielfalt und Komplexität der Daten- und Medienformate als Schwierigkeit. Auch die Anforderung, die Daten nicht nur an sich zu erhalten, sondern auch den Anspruch an Reproduzierbarkeit für die Forschung langfristig abzusichern, erhöht die Komplexität der notwendigen Lösungen.
Einen zentralen Ansatz sieht die Autorin Jessica Farrell in der stärkeren Einbindung von Archivar*innen und Bibliothekar*innen in Open-Science-Projekte. Diese Berufsgruppen beschäftigen sich bekanntlich traditionell mit heterogenen Formaten und Medien. Auch deshalb sieht die Autorin für einen großen Teil der aktuellen Herausforderungen das entscheidende Wissen, wichtige Kompetenzen sowie Netzwerke, Werkzeuge und Aktivitäten in den Archiven und Bibliotheken. Dies wird jedoch, so ihre Einschätzung, von Forschenden und Publizierenden bisher nicht umfassend genug abgerufen.
Eine Ursache sind falsche Vorstellungen von den Aufgaben und damit verbunden auch Kompetenzen der Archivar*innen und Bibliothekar*innen. So werden diese häufig stärker als Teil der Verwaltung und nicht als mögliche Partner*innen bei der Forschungsarbeit und Wissensproduktion angesehen. Archive wieder werden häufiger als eine Art Ablage (“boxes of dusty papers”) und weniger als längst auch digitale Datenzentren angesehen. Es gibt allerdings bereits erfolgreiche Beispiele für die Zusammenarbeit zwischen Forschenden und Archivar*innen, zum Beispiel: NASA´s Year of Open Science und der Wissenschaftliche Informationsservice CERN.
Die Umsetzung interdisziplinärer Open-Science-Projekte erfordert eine enge Zusammenarbeit, finanzielle Unterstützung und die Bildung von Organisationsstrukturen, die auch langfristig die Offenheit und Verfügbarkeit von Daten überwachen können. Außerdem braucht es eine Überwindung veralteter Vorstellungen über die Arbeit von Bibliothekar*innen und Archivar*innen, um ihre Rolle bei der Wissensproduktion adäquat anzuerkennen. Die Informationswissenschaft mit dem Forschungsschwerpunkt ist aus guten Gründen eine wissenschaftliche Disziplin und sollte stärker als solche wahrgenommen werden, so die Autorin.
Angesichts zunehmender Forderungen nach offenen Daten spielen Archivar*innen und Bibliothekar*innen folglich eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung von Offenheit, Zugänglichkeit und langfristiger Erhaltung von wissenschaftlichen Informationen. Um dies zu erreichen, ist eine Zusammenarbeit der Forschenden und Publizierenden mit den Archivar*innen und Bibliothekar*innen ein wichtiger Schritt. Gemeinsam können sie erfolgreich die Herausforderungen von Open Science bewältigen und die Vision einer Welt mit qualitativ hochwertigen, frei zugänglichen Daten verwirklichen.
Quelle: Jessica Farrell: How to make data open? Stop overlooking librarians. In: Nature 624, 227 (2023) DOI: https://doi.org/10.1038/d41586-023-03935-1