OA Takeaways 1: Open Access in den Geowissenschaften
Zur Rubrik „OA Takeaways“ in diesem Blog
Eine Aufgabe der Vernetzungs- und Kompetenzstelle Open Access Brandenburg liegt, ihrem Namen entsprechend, in der gezielten Vermittlung von Open-Access-Kompetenz und damit für Open Access und Open Research relevanten Wissen. Dazu gehört auch der regelmäßige Blick in die Fachliteratur. Wir möchten unser Blog dazu nutzen, unsere eigenen Lektürenotizen in verdichteter Form allgemein zugänglich zu machen. Dafür wählen wir die Bezeichnung “OA Takeaways”. Dahinter steckt der Gedanke, dass es durchaus eine Bereicherung darstellt, nicht jeden Text selbst lesen zu müssen, sondern sich ganz im Sinne einer wissenschaftlichen Arbeitsteilung wechselseitig über den Stand der Diskurse und die Einsichten neuer Studien zu informieren. Uns geht es dabei nicht um klassische Referate im Sinne der Dokumentationswissenschaft. Vielmehr wollen wir für uns und für unsere Community dokumentieren, was sich aus unserer Perspektive aus den jeweiligen Aufsätzen und Beiträgen mitnehmen lässt.
Die Auswahl der Literatur folgt dabei unseren Lektüren. Das Verfahren ist zugleich ausdrücklich “offen”, d.h. wir nehmen sehr gern entsprechende Gastbeiträge an. Der Kontakt dafür wäre ben.kaden@open-access-brandenburg.de.
Notizen zu:
Olivier Pourret, Dasapta Erwin Irawan (2021): Open access in geochemistry from preprints to data sharing: past, present and future. Preprint. In: EarthArXiv. 08.11.2021 https://doi.org/10.31223/X50059
von Ben Kaden
Preprints in offenen Archiven (“Open Archives”) sind aus Sicht der Autoren ein wichtiges Mittel, um die wissenschaftliche Kommunikation angesichts steigender Kosten auch im kommerziellen Open Access im Fluss und zugänglich zu halten.
Entscheidend und zugleich eine Herausforderung ist bei Preprints jedoch die Qualitätssicherung, da diese in der Regel noch keinen Review-Prozess durchlaufen haben.
Parallel entwickeln sich Social-Media-Plattformen als Hinweismedien zu wichtigen Verbreitungskanälen für die Dissemination von wissenschaftlichen Publikationen.
Die Rolle traditioneller kommerzieller Verlage auch im Bereich Open Access wird von der Community hinterfragt, Anpassungen an die veränderten Rahmenbedingungen werden gefordert.
Die wichtigsten Preprint-Server in den Geowissenschaften sind: EarthArXiv und ESSOar.
Aus informationswissenschaftlicher Sicht und auch für das Open-Access-Monitoring interessant: Anhand der “preprint-to-postprint ratio” als Indikator lassen sich Hinweise auf disziplinäre Unterschiede im Umgang mit Preprints und möglicherweise auch Open Access an sich erkennen.
In den Geowissenschaften scheint es Konsens zu sein, dass Forschungsergebnisse der Community so frühzeitig wie möglich zur Verfügung gestellt werden.
Die Frage der Qualitätssicherung, also in der Regel des Peer Review, ist zugleich eine Hürde für die Akzeptanz von Preprints als valide wissenschaftliche Publikationen. Die Autoren verweisen auf Fälle, bei denen der Australian Research Council Förderanträge ablehnte, weil in diesen Preprints zitiert wurden.
Für die Qualitätssicherung von Preprints gibt es eine Initiative namens “Peer Community in” (kurzes Einführungsvideo). Der Ansatz setzt, in der Kurzform, auf ein Verfahren, bei dem Autor*innen ihren Preprint ausdrücklich für ein mögliches offenes Review einreichen. Wenn die Preprints von einem Peer (= Recommender) für ein Review empfohlen werden, wird eine Community-basierte wissenschaftliche Begutachtung ausgelöst, deren Ergebnisse als qualitätssichernde Anreicherung des Preprints sichtbar gemacht werden.
Die Autoren betonen die Bandbreite von Open Science, die über wissenschaftliche Aufsätze hinaus auch Anträge, Daten, Verfahrensbeschreibungen, Ablaufstandards, Codes, Poster und Präsentationen umfasst.
Die Publikation von solchen Materialien sollte nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit den FAIR-Prinzipien erfolgen.
Zahlreiche geowissenschaftliche Zeitschriften fordern eine ergänzende Forschungsdatenpublikation und Beachtung der FAIR-Prinzipien bereits ein.
Wichtig ist zudem die Absicherung der eindeutigen Zitierbarkeit solcher Publikationen über Persistent Identifier.
Es gibt spezifisch auf die Geowissenschaften ausgerichtete Forschungsdatenrepositorien wie die EarthChem Library oder GeoROC.
Die Autoren beschreiben weiterhin die Umwandlung der Fachzeitschrift European Journal of Mineralogy (EJM) von einem Subskriptions- in ein Open-Access-Modell. Es erscheint mittlerweile als Gold-Open-Access-Journal bei Copernicus mit, wie die Autoren betonen, “moderaten” Article Processing Charges (APC). Aktuell sind die APC seitenbasiert und liegen bei 40-50 Euro pro Seite.
Die Umwandlung des Journals in Open Access führte, so die Autoren, zu einer deutlichen Steigerung von Qualität, Akzeptanz und Reichweite, zu einer Beschleunigung des Publikationsprozesses und zur Halbierung der Produktionskosten. Zumindest im beschriebenen Umfang schmälern APC die Attraktivität der Zeitschrift als Publikationsort nicht.
Die guten Erfahrungen mit dem EJM haben Vorbildwirkung für weitere Zeitschriften in diesem disziplinären Spektrum.
Als Worst-Practice referieren die Autoren über die Entwicklungen des bei Elsevier erscheinenden Hybrid-Journals Geochimica et Cosmochimica Acta (GCA). Der Open-Access-Anteil liegt bei diesem Titel stabil bei 10 %, wozu, so die Vermutung, die vergleichsweise hohen APC beitragen.
Generell liegt der Open-Access-Anteil in den Geowissenschaften bei Zeitschriftenaufsätzen für den Zeitraum 2018-2019 laut einer Studie bei 40%. Davon wurden 70% in Full-Open-Access-Journals, der Rest in Hybridtiteln publiziert. Bei letzteren ist die Tendenz steigend.
Für Aufsätze sehen die Autoren zwei Schritte zur Stärkung von Open Access:
Autor*innen sollten das Self-Archiving stärker nutzen.
Verträge zwischen Institutionen und Verlagen sollten eine pauschale Vergütungslösung für die Autor*innen, die diesen Institutionen angehören, in Bezug auf Open Access enthalten.
Aus informationsethischer Sicht macht Open Access Ungleichheiten sichtbar und verstärkt diese teilweise auch. Dies betrifft beispielsweise die Verlagerung der Finanzierung von Publikationen von den Institutionen – also traditionell den subskribierenden Bibliotheken – auf die Forschenden, die sich um die Finanzierung der APC selbst kümmern müssen. Unterschiede in der Forschungsfinanzierung wirken auf dieser Ebene stärker.
Zugleich wird aufgrund der finanziellen Ungleichheit eine starke Verzerrung bei internationalen Forschungskooperationen gesehen: Forschungsförderung kommt dabei zu großen Teilen aus den starken, westlichen Wissenschaftsländern, was dazu führt
dass die westlichen Autor*innen bei Mehrautor*innenschaften erstgenannt werden,
dass bevorzugt westliche Journals als Publikationsquelle gewählt werden,
dass bevorzugt westliche Journals zitiert werden.
Beides führt zu einer Benachteiligung nicht-westlicher Forschender und Forschungsstrukturen inklusive der jeweiligen Zeitschriften. Dies betrifft insbesondere Länder, in denen Englisch nicht die primäre Sprache ist, also beispielsweise Lateinamerika.